Türkei: Korruption wird verharmlost

Die Türkei wird derzeit von einer Korruptionswelle erschüttert. In den Führungszirkeln gab es zahlreiche Festnahmen. Doch Premierminister Recep Tayyip Erdogan bezeichnet die Verhaftungen als "politische Verschwörung" gegen seine Regierung. Dahinter dürfte ein Machtkampf stehen.

Morgenjournal, 21.12.2013

Aus der Türkei berichtet

Keine Regierungserklärung zu Korruptionsskandal

Wenn in einem Land die Söhne von drei Ministern unter Korruptionsverdacht festgenommen werden, dann hätte die Regierung einiges zu erklären. Nicht so in der Türkei des Recep Tayyip Erdogan. Hier werden zunächst einmal die ermittelnden Beamten zurechtgewiesen und von dem Fall abgezogen: "Dass 14 Monate lang abgehört und observiert worden ist, ohne die Vorgesetzten zu informieren, zeigt dass hinter der Aktion ein politischer Plan steckt." Es sei eine Bande am Werk, die wie ein Staat im Staat agiere, so Erdogan.

Irgendwie hat es der türkische Regierungschef geschafft, vom eigentlichen Skandal abzulenken: Dass sein Innenminister und sein Wirtschaftsminister Schmiergelder in Millionenhöhe kassiert haben sollen, um einem dubiosen iranischen Geschäftsmann Aufenthaltsgenehmigung, Staatsbürgerschaft und sonstige Gefälligkeiten zu verschaffen.

Erdogan steht hinter Ministern

Dabei berichten Fernsehen und Zeitungen nahezu atemlos über die Affäre und zitieren dabei schmackhafte Details aus der monatelangen Beobachtung der Verdächtigen. Überwachungskameras zeigen Autos mit Kofferräumen voller Dollars und man erfährt, wie der Innenminister seinem Sohn am Telefon Tipps gibt, um die Polizei zu überlisten. Vielleicht hört dich jemand ab, wird der Minister zitiert. Und dann, offenbar auf die Art der Geldübergabe bezogen: "Mach es nicht auf die Art wie bisher und sei vorsichtig was du sagst."

Doch noch steht der Regierungschef hinter seinen Ministern und so wird in stundenlangen Live-Diskussionen zum Korruptionsskandal fast ausschließlich darüber diskutiert, wer Polizei und Justiz auf die Spur von AKP-Ministern, Lokalpolitikern und Geschäftsleuten gesetzt hat.

Arbeit des Staatsanwalts könnte behindert werden

Das ist genau jenes Thema, das Erdogan vorgegeben hat. Der Regierungschef meint nämlich jetzt schon genau zu wissen, wer hinter den Enthüllungen steckt: Die gleichen Leute, die auch die Gezi-Proteste gegen ihn organisiert haben, und die jetzt das erreichen wollten, was sie damals nicht geschafft haben.

Dem Staatsanwalt, der den Fall in Rollen gebracht hat, wurden gestern vier Kollegen beigestellt. Sie können ihn bei der weiteren Vorgangsweise mit Mehrheitsbeschluss überstimmen – vielleicht eine Vorsichtsmaßnahme, um weiteren Enthüllungen vorzubeugen. Trotzdem wurde gegen 21 Verdächtige Untersuchungshaft beantragt. 14 Personen wurden wieder freigelassen, darunter der Sohn des Stadtplanungsministers. Von den ins Zwielicht geratenen Politikern ist bisher niemand zurückgetreten. Das kommende Wahljahr könnte nun doch viel spannender verlaufen als gedacht.