Weihnachten in Bethlehem

Zu Weihnachten fühlt sich Bethlehem als Hauptstadt der Welt – wohl zu Recht, denn dort hat sich die Weihnachtsgeschichte zugetragen. Da es in der Region relativ ruhig ist, sind in diesem Jahr viele Touristen nach Bethlehem gekommen, sehr zahlungskräftig sind sie aber nicht.

Mittagsjournal, 24.12.2013

In Gedanken bei Christen in Syrien

In den frühen Nachmittagsstunden wird der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Fouad Twal, in Bethlehem einziehen. Er ist das Oberhaupt der Katholiken im Heiligen Land. Er wird zu Mitternacht in der Franziskanerkirche unmittelbar neben der Geburtskirche die Messe lesen. An der Geburtskirche wird übrigens gerade das Dach repariert.

Wenn sich die Augen kurz vor Weihnachten auf Bethlehem richten, dann ist das für die Bewohner des hügeligen 33.000-Seelen-Städtchens immer ein Anlass, über die eigenen chronischen Probleme zu reden, über die Reibereien mit den Israelis, die Isolation, den flauen Geschäftsgang. Aber heuer hört man besonders von den christlichen Bürgern auch eine andere Klage: "Unsere Schwestern und Brüder in Syrien werden abgeschlachtet, es ist eine Schande für die christliche Welt, eine große Schande - speziell für Christen. Wie können wir uns vorstellen, Weihnachten zu feiern – Christbäume, Lichter, Fröhlichkeit - wie können wir froh sein, wenn unsere Brüder und Schwestern so unmenschlich behandelt werden?"

Wunsch nach Frieden in Nahost

George Abu Farha ist ein pensionierter Schweißer, er ist aus dem Nachbarstädtchen Bet Sahur auf Besuch und sitzt im Souvenirladen seines Freundes John Abu Eita gleich neben dem Krippenplatz. Der Händler ist recht zufrieden mit dem abgelaufenen Jahr. "Der Tourismus ist gut, alles ist gut, wir brauchen nur noch Frieden, nicht Touristen, wir brauchen Frieden, wir wollen leben", sagt Farha.

Der israelisch-palästinensische Konflikt bleibt natürlich ungelöst. Paradoxerweise ist es aber im Westjordanland, das früher immer eine Krisenzone war, schon lange relativ ruhig, sicher im Vergleich zu den Nachbarländern Syrien und Ägypten. Lawrence ist ein Engländer, der mit seiner Frau und den drei Kindern schon seit 2,5 Jahren in Bethlehem lebt und hier für eine Wohltätigkeitsorganisation arbeitet. "Im Wesentlichen ist es ruhig. Verglichen mit früher gibt es viel mehr Wohlstand – neue Autos, Geschäfte, Bauarbeiten", so Lawrence.

Das Weihnachtsfest ist hier nicht so kommerziell wie in Europa, sagt er, aber dafür wird es manchmal von der Politik vereinnahmt.

OT Es gibt viel Atmosphäre, es ist geschäftig, es ist viel los, aber sehr oft geht es weniger um Weihnachten und mehr um das Feiern des palästinensischen Staates. Der politische Aspekt ist bei den Feiern sehr stark.

Tourismus bringt nicht das große Geld

Das Weihnachtsfest sei hier nicht so kommerziell wie in Europa, sagte er, aber dafür werde es manchmal von der Politik vereinnahmt. "Es gibt viel Atmosphäre, es ist geschäftig, es ist viel los, aber sehr oft geht es weniger um Weihnachten und mehr um das Feiern des palästinensischen Staates. Der politische Aspekt ist bei den Feiern sehr stark", sagte Lawrence.

Auf die Kombination von Weihnachten und Politik stößt man auch im Konferenzraum des Rathauses. Hier steht ein hübscher Christbaum zwischen der palästinensischen Fahne und dem Stadtbanner von Bethlehem mit seinem goldenen Stern. Vor diesem Hintergrund lässt sich Vera Baboun interviewen, seit etwas mehr als einem Jahr Bürgermeisterin von Bethlehem - die erste Frau in diesem Amt. Sie hat Programme entwickelt, um mehr Besucher für längere Aufenthalte anzulocken, etwa eine Serie von Kulturveranstaltungen schon seit Anfang Dezember. Aber ist diese völlige Abhängigkeit vom Tourismus nicht ungesund, sollte man nicht auch in andere Richtungen denken? "Wir denken in andere Richtungen. Wir treiben die Industriezone voran, die 5.000 Arbeitsplätze umfassen wird", betonte Baboun. Aber Bethlehem habe eine kleine Fläche, Bethlehem sei die kleinste der palästinensischen Städte. "Jeder weiß, um sich zu entwickeln, mit Projekten, mit Urbanismus, braucht man Land, und deshalb, ja, Tourismus ist die wichtigste Ressource", ergänzte Baboun.

Vom Tourismus abhängig ist natürlich Mohammed Awadallah, denn er ist Fremdenführer. Man soll sich von den schönen Statistiken nicht täuschen lassen, meint er, die Besucher kommen in Gruppen, bleiben nur kurz und geben wenig Geld aus. "Es ist besser von den Zahlen her, wir haben Quantität, aber wir brauchen Qualität, wir brauchen Leute, die kommen und die Produkte kaufen, die von den Christen hier gemacht werden, nicht in China oder Indien", so Awadallah.

Renovierungsarbeiten an Geburtskirche

Heuer ist das Erlebnis am Geburtsort Jesu ein etwas beeinträchtigt, weil an der Geburtsbasilika überfällige Restaurierungsarbeiten angelaufen sind. Metallgerüste reichen bis zur Decke, Säulen sind durch Holzverkleidungen und Planen geschützt. Weil es den so genannten Status quo gebe, eine heikle Kompetenzverteilung, über die drei christliche Religionsgemeinschaften eifersüchtig wachen, habe man lange nicht beginnen können, erzählt Awadallah. "Natürlich, wenn restauriert wird, dann geht das nur einvernehmlich", so der Fremdenverführer. Es habe so lange mit der Restaurierung gedauert, weil sie alle einverstanden sein müssten - die Armenier, die Griechisch-Orthodoxen und die Katholiken. "Wenn einer nein sagt, steht alles still."

Als erstes hat sich eine spezialisierte italienische Firma das Dach und die Fenster vorgenommen. Es war höchste Zeit dafür, denn das einsickernde Regenwasser gefährdet die Fresken und Mosaike. "Es kostet ein Vermögen, aber eines der wichtigsten Dinge, die wir dabei entdeckt haben, ist: das hölzerne Dach der Geburtskirche, trotz des Regens, es ist wirklich gut gebaut, aus einem sehr guten Material, sogar besser als Stahl", so Bürgermeisterin Baboun.

Die uralte Kirche hat Kriege und Erdbeben überdauert, und zuletzt auch die ungewöhnlich schweren Winterstürme im Nahen Osten – die immer noch mit Schnee überzuckerten Anhöhen um Bethlehem sorgen heuer für eine besondere Stimmung.

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