Die ultimative Physik des Abnehmens

Mach das!

Es gibt Bücher, bei denen wartet der Verleger bis zu einem bestimmten Termin, um sie zu veröffentlichen - beim folgenden, das wir Ihnen vorstellen, heißt dieser Termin "Nach den Feiertagen". Klarerweise. Denn es geht ums Abnehmen.

Wie man erwarten darf, bietet es vom Inhalt her nicht allzu viel Neues. Der Blickwinkel aber, die Idee, sich dem Erfolg von Diäten und dem Misserfolg durch Völlerei von Seiten der Physik her anzunähern, die ist neu. Und interessant.

Insel der Ordnung

Der menschliche Körper ist eine komplexe Maschine, die einerseits Physik betreibt, zum Beispiel schneller wird und Lasten hebt, andererseits aber auch darum kämpfen muss, eine Insel der Ordnung zu sein. Und dazu braucht der Körper Energie. Ein Zuviel davon wird in Fett angelegt. Wer es loswerden will, muss lange daran arbeiten.

"Ja, prinzipiell ist Abnehmen möglich, es ist allerdings eine relativ zähe Geschichte. Man muss immer am Ball bleiben", meint Apolin. "Das ist etwas, das viele Leute gar nicht hören wollen: Um alleine 1 kg Fett abzunehmen, muss man ungefähr 10 Stunden Sport machen."

Energie wird nur umgeschichtet

Als Physiker hat Martin Apolin es oft einfacher als die Physiologen. Es geht in der Physik um die Energiebilanz, und nicht wie in der Physiologie um die Details, wie der Körper diese Bilanz zustande bringt. Der Energieerhaltungssatz ist dabei die wohl wichtigste physikalische Grundlage: Energie wird nur umgeschichtet, nicht erzeugt, und nicht vernichtet.

Ein Kilogramm Körperfett hat einen Brennwert von 30.000 Kilojoule, sagt Apolin, und das kann man sich ruhig einmal ohne viele Details auf Entfernung anschauen. Zum Beispiel beim Laufen: "Wenn man es aus der bequemen Distanz der Energieerhaltung sieht, sieht man, wenn 30.000 Kilojoule rausgeflossen ist, habe ich ein Kilogramm abgenommen. Wenn man nicht so intensiv läuft, nimmt man das Fett schon während des Laufens ab und wenn man intensiv läuft, nimmt man das Fett nach dem Laufen ab. Das ist eigentlich eine gute Nachricht. Man braucht eigentlich auf überhaupt nichts aufpassen."

Die einfache Regel auf der Ausgabenseite lautet: Jede Aktivität zählt: "Ich kann die Aktivität auf beliebig viele Teile aufteilen, und wenn ich jeden Tag ein, zwei Kilometer zu Fuß gehe, läppert sich das in Summe zusammen. Und selbst, wenn man dadurch nicht abnimmt, es hat gerade der Unterschied, ich mach gar keine Bewegung, und ich mach ganz wenig Bewegung, den größten Effekt, was die Herzinfarktprophylaxe betrifft. Die inaktivsten Leute machen so 4, 5 Minuten am Tag so etwas wie Aktivität, wo der Puls ein bisschen erhöht ist. Wenn man bloß 10 Minuten dazu macht - das entspricht, einen Kilometer zu gehen, dann sinkt das Risiko, dass man einen Herzinfarkt bekommt, um 15 Prozent oder mehr. Das ist relativ viel, weil das ist letztlich eine ganz geringe Maßnahme."

Positive Energiebilanz führt zu Jahresringen

Wenn Sport zur Anstrengung wird, sollte man wissen, dass man dabei unter Umständen auf alte evolutionäre Muster zurückgreift, salopp gesagt - man wird dabei zum Tier. "Wenn einmal der Blutzucker im Keller ist, dann kennt der Körper kein Halten mehr", so Apolin. Zum Beispiel beim Schwimmen, "weil durch das kalte Wasser kühlt der Körper sehr aus, dann heizt der Körper sehr viel nach, und die Körperheizung, das ist eine sehr intensive Heizung, funktioniert mit Kohlehydraten. Das kann dazu führen, dass man nachher einen Heißhunger bekommt. Deswegen ist das nicht so geeignet. Das hat nichts damit zu tun, dass man kein Fett verbrannt hat, sondern dass das einfach zu intensiv war, bzw. dass man zwischendurch etwas essen hätte sollen, um nicht diese Hungerattacke zu bekommen."

Über die Jahre hinweg summiert sich eine positive Energiebilanz auf, in Form von Jahresringen - in Form von Fett. Wer das nicht will, muss dagegen arbeiten. "Und deswegen dieses immer am Ball bleiben, das ist die schwierige Sache", meint Apolin. "Man muss generell, und das fällt uns natürlich sehr schwer, das Leben umstellen. Das heißt man muss auf Dauer schauen, dass man etwas weniger isst und etwas mehr Bewegung macht, und das durchhalten ist halt das Schwierige."

Der Sog der Gesellschaft

In Europa haben die Menschen von 1960 bis ins Jahr 2000 ungefähr um 25 Prozent zugenommen. Das sind rund 16 Kilogramm. Das Interessante ist, dass in diese Zeit auch viele Fitnesswellen fallen: Aerobic, Nordic Walking, und wie sie alle heißen. "Aber es hat letztlich nichts gebracht", so Apolin. "Weil der Sog der Gesellschaft ist eben: Mach weniger Bewegung. Weil man wird überall mit Rolltreppe hinaufgezogen und fährt mit dem Auto ins Fitnessstudio und das Nahrungsangebot ist gestiegen."

Es braucht dabei auch gar nicht viel. Wer seinen Kaffee üblicherweise mit Zucker trinkt, und diese Gewohnheit ändert, wird belohnt. Bei zwei Stück Zucker pro Kaffee und zwei Kaffee pro Tag wird diese Änderung bereits 2 Kilogramm im Jahr an Gewichtsabnahme ausmachen - wenn sonst alles beim Alten bleibt.

Man könnte aber auch Treppen steigen, und gehen, vielleicht ein, zwei Stationen früher aussteigen, wenn man mit der Straßenbahn unterwegs ist. Als Kontrolle ist der Gürtel ideal, obwohl als genaueres Messinstrument eigentlich für Physiker die Waage näher läge: "Ich mache das auch mit dem Gürtel, weil die Waage ist ja gänzlich ungeeignet. Sie misst nicht die Massenzusammensetzung. Wenn man wissen möchte, ob man dick ist, braucht man sich nur vor den Spiegel stellen, und wenn das nicht genügt, muss man sich nackt ausziehen, und wenn das auch nicht genügt, muss man ein bisschen hin- und herwackeln. Und die Waage ist deshalb nicht geeignet, weil viele schnelle Schwankungen nur über das Wasser erfolgen."

Viele Argumente bei Diätüberlegungen kann man mit ganz einfachen Rechnungen überprüfen. Wie das geht, zeigt Martin Apolin in seinem Buch. Mit Grundrechnungsarten wohlgemerkt, und einfachen Überschlagsrechnungen: "Man kann den Großteil, eigentlich alles, in diesem Buch mit einfachen Rechnungen überprüfen. Das wahrscheinlich Blödeste, was ich jeweils gelesen habe ist, dass man beim Küssen in der Minute 20 Kalorien verbrennt, und wenn man das ausrechnet, kommt man auf eine Leistung von 1800 Watt, das entspricht einem Ausdauertempo im Weltklassebereich. Das kann man ganz leicht widerlegen, indem man sich die Watt ausrechnet."

Kleiner Input, großer Output

Das Erste, was man bei einer Abmagerungskur verliert, ist die gute Laune, sagte einmal der deutsche Schauspieler Gert Fröbe - und etwas umfassender fasst es Martin Apolin zusammen: "Zu- und Abnehmen hängt nur von der Energiebilanz ab. Wenn man abnehmen will, muss man den Grundumsatz negativ halten und da gibt es nur zwei Verdächtige: Nämlich den Input kleiner machen und den Output größer machen. Und man muss immer am Ball bleiben, weil wenn man damit aufhört, und wieder in die positive Energiebilanz kommt, stellt sich das Problem spätestens nach ein bis zwei Jahren wieder."

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Martin Apolin, "Mach das! Die ultimative Physik des Abnehmens", Ecowin