Referendum gegen "Masseneinwanderung"
Am kommenden Sonntag stimmen die Schweizer über die Personenfreizügigkeit ab - eigentlich eine wesentliche Errungenschaft der EU, die Garantie freier Aufenthalts- und Arbeitstätigkeit. Die Schweiz ist dieser EU-Grundfreiheitszone beigetreten. Jetzt hört man aber wieder, das Boot sei voll. Die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei lanciert eine Initiative namens "Stoppt die Masseneinwanderung".
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 6.2.2014
Gegen "maßlose Einwanderung"
Mit der "Initiative gegen Masseneinwanderung" fordert die nationalkonservative Volkspartei (SVP) die Wiedereinführung von Ausländerkontingenten und eine Neuverhandlung der Personenfreizügigkeit mit der EU. Während SVP-Präsident Toni Brunner betont, eine Ablehnung der Initiative käme einer "Kapitulation vor der maßlosen Einwanderung" gleich, sehen die Gegner ein Schweizer Erfolgsmodell in Gefahr. Regierung (Bundesrat), Parlamentsmehrheit und Wirtschaftsverbände sind sich einig, dass die Personenfreizügigkeit zur Prosperität der Schweiz beigetragen hat. Die Gegner warnen, eine Annahme könne die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU gefährden.
Knappes Ergebnis zu erwarten
Bis zu 80.000 ausländische Arbeitskräfte sind seit der schrittweisen Einführung der Personenfreizügigkeit jährlich in die Schweiz gekommen, drei Viertel davon aus dem EU-Raum. Die wachsende Bevölkerung und steigende Wirtschaftsleistung haben auch Unzufriedenheit ausgelöst. Ihnen werden etwa überfüllte Züge und Hauptverkehrsachsen sowie steigende Immobilienpreise angekreidet. Fälle von Lohndumping sorgen ebenfalls für Unmut.
In den Umfragen hat es lange Zeit so ausgesehen, als habe die Initiative an der Urne kaum Chancen. Doch gemäß der jüngsten Prognose dürfte es knapp werden: 43 Prozent wollen zustimmen und noch 50 Prozent dagegen (zuvor: 37 zu 55 Prozent).
Umsetzung schwierig
Ob ein Ja am 9. Februar einen Teil der bilateralen Abkommen mit Brüssel außer Kraft setzt, ist umstritten. EU-Botschafter Richard Jones sagte im Dezember, die Idee, diese neu zu verhandeln, sei vom Tisch. Bern müsse das Abkommen dann kündigen. Laut dem Schweizer Außenministerium (EDA) gibt es dafür zwar keine Verpflichtung, die Situation wäre aber kaum tragbar. Die Kündigung könnte auch Brüssel übernehmen, doch das Verfahren wäre kompliziert. Gemäß Europarechtlerin Christa Tobler bräuchte es "einen einstimmigen Entscheid". Neben dem Parlament müsste auch der Ministerrat, und in diesem jedes einzelne der 28 Mitgliedsländer Ja sagen zur Kündigung. (Text: APA, Red.)