Porträt Katie Mitchell

Am kommenden Sonntag erlebt ein Text von Peter Handke seine Premiere im Kasino des Wiener Burgtheaters am Schwarzenbergplatz. Es ist nicht eines seiner vielen Theaterstücke, sondern vielleicht sein berühmtester Prosatext: "Wunschloses Unglück", mit dem er auf einen Schlag berühmt wurde. Die britische Regisseurin Katie Mitchell wird ihn auf die Bühne bringen.

Katie Mitchell

(c) Werner, Burgtheater, APA

Man darf wohl keine Dramatisierung des Textes erwarten, sondern ein vielstimmiges Konzert mit Live-Kameras, mit einem experimentellen Zugang, der für sie typisch ist. Katie Mitchell hat in Österreich mit Musiktheaterinszenierungen Furore gemacht, etwa Luigi Nonos "Al gran sole carico d'amore" bei den Salzburger Festspielen oder George Benjamins "Written on Skin", ein Höhepunkt bei den vergangenen Wiener Festwochen.

Kulturjournal, 07.02.2013

In Großbritannien sind Katie Mitchells Regiearbeiten umstritten wie kaum andere. Der "Independent" etwa schrieb über sie, Mitchell spalte das Publikum und sei eine Regisseurin, die ihre ganz persönliche Sicht auf Texte zeige und in die Texte eingreife und damit so etwas wie ein Auteur würde. Das ist man im eher konservativen britischen Theater nicht gewohnt.

In Europa hingegen wird sie heftig akklamiert, ob sie Friederike Mayröckers "Reise durch die Nacht" in Köln auf die Bühne bringt oder Euripides in der Sicht ihres künstlerischen Weggefährten, des Erfolgsdramatikers Martin Crimp. "Alles Weitere kennen Sie aus dem Kino", heißt seine Version der "Phönizierinnen", die Mitchell zuletzt für den Antritt von Karin Baier am Hamburger Schauspielhaus inszenierte. Während sie in ihrer Heimat also als destruktive Kraft gesehen werde, fühle sie sich in der deutschsprachigen Welt mehr zu Hause, sagt Mitchell.

Reisen zwischen den Kulturen

Katie Mitchell, Jahrgang 1964, studierte zunächst englische Literatur in Oxford, bevor sie zum Theater fand. Sie gründete dann ihre eigene Truppe Classics On A Shoe String, um bald an der Royal Shakespeare Company und im Royal Court Theatre zu reüssieren, das bekannt ist für neue Dramatik und an dem Sarah Kane oder eben Martin Crimp ihre ersten Erfolge feierten. 2009 inszenierte sie "Wunschkonzert" von Kroetz in Köln und wurde sogleich zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Trotz ihres Erfolges am Kontinent inszeniert Katie Mitchell weiterhin in ihrer Heimat, wenn ihr die Situation auch manchmal schizophren vorkommt. Andererseits genießt sie das Reisen zwischen beiden Kulturen, sie fliegt nicht, sie fährt mit dem Zug, und da hat sie genug Zeit, sich auf ihre jeweiligen Inszenierungen vorzubereiten.

Katie Mitchells erste Liebe gehörte der russischen und osteuropäischen Literatur und dem Theater dort. Lew Dodin oder Anatolij Wassiliew waren für sie entscheidende Einflüsse, später auch das Tanztheater von Pina Bausch. Woher die Liebe zu Russland komme, weiß sie gar nicht so genau.

Katie Mitchell liebt einfach Europa und hier inszeniert sie ja vor allem an Opernhäusern und bei Festivals. Ob an der Berliner Staatsoper, beim Festival Aix en Provence, bei den Wiener Festwochen, wo sie zuletzt ihre Inszenierung von Benjamins " Written on Skin" zeigte, oder bei den Salzburger Festspielen, wo ihre Arbeit in der Felsenreitschule ein Riesenerfolg der Ära Flimm wurde: Luigi Nonos "Al gran sole carico d'amore" mit den Wiener Philharmonikern. Überhaupt ist Katie Mitchells Regiearbeit immer musikalisch, ob es sich nun um Sprech- oder Musiktheater handelt.

2014 wieder bei den Salzburger Festspielen

Auch heuer wird Katie Mitchell wieder bei den Salzburger Festspielen arbeiten, allerdings in ihrer Muttersprache und im Sprechtheater - wie jetzt in Peter Handkes "Das wunschlose Unglück", das sie am kommenden Sonntag im Kasino des Burgtheaters zur Uraufführung bringt. Es geht darin um eine Selbstmörderin: Clara Immerwahr, die sich umbringt, um gegen den Einsatz von chemischen Waffen im Ersten Weltkrieg zu protestieren, die von ihrem Mann entwickelt wurden. Das Ganze wird in einer U-Bahn in New York spielen.

Die Salzburger Festspiele haben 2014 ja einen Schwerpunkt zum Ersten Weltkrieg. "The Forbidden Zone", so der Titel, wird man für die Bühne der Perner-Insel Hallein erarbeiten. Ursprünglich hatten Katie Mitchell und ihr Autor Duncan Macmillan für dieses Vorhaben ihr Hauptaugenmerk auf Mary Bordens gleichnamiges, autobiografisches Werk gelegt. Mary Borden, eine reiche amerikanische Erbin, hatte während des Krieges ein Feldlazarett an der Westfront finanziert und geleitet und erweist sich in ihrem Buch als bedeutende Autorin, der es eindringlich gelingt, das Leiden der verwundeten Soldaten und ihrer oft ohnmächtigen Helfer zu schildern.

Im Zuge der Recherchen und der Vorbereitung von Katie Mitchell und Duncan Macmillan, hat sich aber, wie es bei einem so lange im Voraus entstehenden Projekt wünschenswert und nicht unüblich ist, ihr Interesse an den Geschehnissen des Weltkrieges erweitert. Ob Katie Mitchell in dieser Produktion wieder mit Live-Kameras arbeiten wird, wie jetzt in "Das wunschlose Unglück" am Bugtheater-Kasino oder in der Felsenreitschule bei der Nono-Oper wird sich zeigen.

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