Stephen Frears: "Philomena"

2009 veröffentlichte der britische Journalist Martin Sixsmith das Buch "The Lost Child of Philomena Lee", also "Das verlorene Kind der Philomena Lee", in dem er einen wahren Fall von zweifelhafter Kindesadoption im Irland des Jahres 1952 aufrollte. "Philomena" s heißt nun ein Film, der auf diesem Buch basiert und vierfach Oscar-nominiert ist, unter anderem Judi Dench für die Hauptrolle der Philomena.

Mittagsjournal, 26.2..2014

Man nennt das eine klassische "Human Interest"-Story, nicht gerade das Genre des ehemaligen BBC-Korrespondenten Martin Sixsmith (Steve Coogan). Doch weil er gerade seine Polit-Beraterkarriere in den Sand gesetzt hat, beginnt er sich doch für die Geschichte der Philomena Lee (Judi Dench) zu interessieren. Im Irland der 1950er Jahre wurde sie als Teenager schwanger, zur Strafe gaben die Eltern sie ins Kloster. Schließlich wird ihr das Kind weggenommen, zur Adoption freigegeben. 50 Jahre später macht sich Philomena auf die Suche nach ihrem Sohn und der Wahrheit. An ihrer Seite: Martin Sixsmith.

Schutzpanzer Zynismus

Zwei Welten prallen hier aufeinander: einerseits eine gläubige Frau mit Vorliebe für Trivialromane, die sich an den einfachen Dingen des Lebens wie einem umfangreichen Frühstücksbuffet erfreuen kann, andererseits der intellektuelle Snob, der das Gefühl seiner Überlegenheit wie ein Klassenmerkmal und seinen Zynismus wie einen Schutzpanzer gegen kulturellen Verfall vor sich herträgt - eine zwischenmenschliche Kombination, aus der Regisseur Stephen Frears bei aller Tragik der Geschichte den Antriebsmotor für eine Komödie macht.

Maßvolle Kirchenkritik

Schnippische Pointen setzt Drehbuchautor und Hauptdarsteller Steve Coogan mit Präzision und Gefühl für Situationen, verstrickt sich nicht in falsche Sentimentalität und bleibt auch in seiner Kirchenkritik maßvoll und effektiv. Bei den Recherchen erweist sich das irische Kloster immer noch als Bollwerk des Vertuschens.

Menschliche Größe ist eine relative Angelegenheit, man braucht dafür keine Bücher, sondern die richtige Einstellung und vor allem Respekt vor anderen Weltbildern. Das kann der sich Journalist Sixsmith von Philomena abschauen, denn sie mag vielleicht keine Frau von Welt sein, doch sie hat das Herz am rechten Fleck. Auch so kann man "Human Interest" verstehen.

Service

Philomena