Türkei: Erdogan droht mit Social-Media-Sperre

Seit Wochen vergeht in der Türkei kein Tag, ohne dass im Internet neue Enthüllungen mit Korruptionsvorwürfen gegen die Regierung von Premier Recep Tayyip Erdogan auftauchen. Auf jede neue Veröffentlichung reagiert der Regierungschef mit einer weiteren Drohung. Ein neues Internet-Gesetz ermöglicht es der Regierung seit Kurzem, unliebsame Seiten im Internet zu schließen. Doch das genügt Erdogan offenbar nicht.

Mittagsjournal, 7.3.2014

Aus Istanbul berichtet

"Volk nicht Opfer von Facebook"

Was der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in den vergangenen Monaten mit wem über sein Sicherheitstelefon besprochen hat, wie er versucht hat auf Medien und Justiz Druck auszuüben und die Vergabe öffentlicher Aufträge zu manipulieren – all das kann jeder Türke im Internet finden. Lange Telefonprotokolle samt Abschrift und viele andere Details aus dem innersten Kreis der Macht.

Damit solle jetzt Schluss sein, drohte der in Bedrängnis geratene Regierungschef gestern in einem Fernsehinterview: "Ich werde nicht zulassen, dass unser Volk das Opfer von Facebook und Youtube wird. Wir werden nach den Wahlen Ende März sehr genau alle nötigen Schritte unternehmen."

Totalsperre?

Einer der Reporter fragt, ob das auch bedeuten könne, dass diese Social-Media-Seiten geschlossen werden. Ja, antwortet Erdogan, denn es sei nicht einzusehen, dass solche Konzerne daran Geld verdienen, Dinge zu veröffentlichen, die von Feinden des Landes und von Agenten in die Welt gesetzt würden.

Ob Erdogan wirklich die generelle Schließung von Facebook und Youtube plant, vergleichbar den Zuständen im Iran, geht aus dem Wortlaut nicht hervor. Aber offenbar haben das neue schärfere Internet-Gesetz und die Neubesetzung der Internet-Kontrollbehörde, die Versetzung von tausenden Polizeibeamten und zahlreichen Staatsanwälten bisher nicht das gebracht, was Erdogan erreichen wollte, nämlich den Strom der Indiskretionen zu stoppen.

Echtheit der Mitschnitte zugegeben

Dabei hat er selbst – für viele seiner Kritiker überraschend – offen zugegeben, dass einige der geheimen Telefonmitschnitte durchaus echt wären. Was sei denn schon dabei, wenn er den Justizminister ersuche, in ein heikles Verfahren einzugreifen, fragte er diese Woche bei einer Wahlversammlung. Das neue Justizgesetz wird Richter und Staatsanwälte ohnehin der Kontrolle der Regierung unterstellen und durch ein weiteres Gesetz kann der Geheimdienst MIT künftig im rechtsfreien Raum agieren.

Kritik an dieser Demontage aller demokratischen Institutionen begegnet Erdogan gerne mit dem Argument, dass er die Mehrheit des Volkes auf seiner Seite habe. Meinungsumfragen sehen Erdogans Partei AKP derzeit zwischen 35 und 40 Prozent – auch wenn 66 Prozent der Türken überzeugt sind, dass an den Korruptionsvorwürfen etwas dran ist.

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