Bibelkommentar zu Matthäus 4, 1 - 11
Das ist ja tatsächlich bemerkenswert: Jesus war versuchbar, wie im Evangelium zu hören war. Er stand also keinesfalls über den Dingen, wie es in der Alltagssprache so heißt.
8. April 2017, 21:58
Er war keiner, der alles weiß, der alles kann und der unbeirrbar seinen Weg geht, gewissermaßen wie vorprogrammiert oder ferngesteuert. Es war also nicht alles im Vorhinein entschieden. Nein, Jesus war wirklich versuchbar und der Ausgang war offen.
Nun, dafür gibt es natürlich keine Augenzeugen und die Geschichte von der Versuchung Jesu ist sicher auch kein Protokoll darüber. Aber irgendwas muss es in seinem Leben gegeben haben, zu ungewöhnlich und irritierend ist die Geschichte von der Versuchung Jesu. Ob er selbst darauf zu sprechen gekommen ist? Im gerade gehörten Evangelium geht es nicht einfach um ein Wortgeplänkel um die besseren Bibelzitate, sondern tatsächlich um eine Versuchung. Nur wer Macht hat, weiß um die Versuchung der Macht. Nur wem Sprachgewalt gegeben ist, weiß um die Versuchung der Demagogie. Aber was hatte Jesus, das ihn versuchbar gemacht hat? Welche Möglichkeiten hat Jesus in sich gehabt, die er entgegen ihrer Bestimmung verwirklichen könnte, selbstbezogen zum eigenen Vorteil?
Was waren denn die Lockmittel der Versuchung in der Erzählung? Zuerst ging es darum, Steine zu Brot zu machen. Dann würde er als Sohn Gottes anerkannt werden. Als nächstes ging es darum, unbekümmert und sorglos vom Tempel zu springen. Dann wäre Gott auf seiner Seite. Schließlich ging es darum, den Teufel anzubeten. Dann hätte er alle Macht auf Erden.
Es ist doch wirklich verlockend, ja verführerisch, über allem zu stehen, auf Teufel komm raus zu leben und alle zu beherrschen. In der Geschichte von der Versuchung steht für Jesus alles auf dem Spiel, er ringt um seine Berufung, er ringt um seinen Weg, er ringt um seine Identität.
Wie wichtig diese drei Versuchungen sind, zeigen die Gegengeschichten dazu, die in den Evangelien zu finden sind: Überraschend endet die Geschichte von der wunderbaren Speisung der Fünftausend im Evangelium nach Johannes. Die Menschen wollten Jesus, den Wundertäter zum König machen – er aber verweigert und zieht sich zurück. Das wollte er nicht. In einem anderen Text bei Matthäus fordert Jesus auf, die Sorge um den eigenen Lebensunterhalt loszulassen und sich ganz Gott anzuvertrauen. Und später sagt er: „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.“ Es ist das gelebte Gegenprogramm zu den Versuchungen.
Wer einer Versuchung erliegt, nützt seine Fähigkeiten für sich selbst aus und schafft sich persönliche Vorteile. Wer einer Versuchung widersteht, sieht seine Fähigkeit als Geschenk an und stellt sie und sich in den Dienst für andere.