Ausbildung: Österreich als "Durchlauferhitzer"
Österreich sei so etwas wie ein "qualifikatorischer Durchlauferhitzer", kritisiert der Migrationsexperte Heinz Fassmann. Denn Österreich bilde sehr viele Studierende aus, könne sie aber nicht im Land halten. Fassmann regt eine Reform der "Rot-Weiß-Rot-Card" an.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 18.3.2014
"High Potentials" wandern ab
Rund 20.000 Österreicher und Österreicherinnen haben 2013 das Land verlassen, vor allem jüngere Menschen zieht es ins Ausland. Der Anteil der hoch qualifizierten ist unter diesen Abwanderern besonders hoch. In einer Pressekonferenz machten der Migrationsexperte Heinz Fassmann, Vizerektor der Universität Wien, und Kollegen aus Wissenschaft und Wirtschaft heute auf diesen Umstand aufmerksam. Sie forderten attraktivere Arbeitsbedingungen in der Forschung, um Auswanderer zurückzuholen und ausländische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen hier halten zu können.
Die Statistik Austria hat erstmals das Bildungsregister mit den Abwanderungszahlen zusammengeführt, und das Ergebnis ist für Österreich nicht positiv: Ein Drittel der Österreicher und Österreicherinnen, die ins Ausland abwandern, ist gut ausgebildet, hat zumindest Matura, viele haben einen Hochschulabschluss. Damit liegt Österreich international im Spitzenfeld, was den Verlust von sogenannten High Potentials, also hochqualifizierten Arbeitskräften betrifft. Das schadet allen voran der österreichischen Forschungslandschaft, betont Fassmann: "Die mit Universitätsabschluss besitzen eine deutliche, fünfmal höhere Wegzugswahrscheinlichkeit als die gering Qualifizierten, und besonders trifft es die Naturwissenschaften. Und das deckt sich mit all den Dingen, die wir vermutet haben - dass sie woanders eben eine bessere finanzielle Ausstattung und dergleichen haben."
Mangelhafte "Willkommenskultur"
Viele Studierende, heimische wie internationale, verlassen Österreich nach Ende der Ausbildung, laut OECD ein deutlich größerer Anteil als in anderen Staaten. Fassmann: "Österreich ist so etwas wie ein qualifikatorischer Durchlauferhitzer. Wir bilden sehr viele Studierende aus, geben sie aber dann wieder ab und können sie nur mehr zu einem bestimmten Teil zurückholen. Wir investieren doch sehr viel in Ausbildung und Lehre und profitieren vielleicht nicht so viel, wie wir es könnten." Das führt Heinz Fassmann neben der schlechten finanziellen Situation in der Forschung auch auf die mangelhafte "Willkommenskultur" in Österreich zurück.
"Rot-Weiß-Rot-Card" reformieren
Die Aufenthaltsbedingungen, die im Rahmen der "Rot-Weiß-Rot-Card" für ausländische Studierende und Jungwissenschaftler geregelt werden, seien wesentlich unattraktiver als etwa in unserem Nachbarland Deutschland, hebt Faßmann hervor: "Studienabsolventen müssen relativ viel verdienen, um die "Rot-Weiß-Rot-Karte" zu bekommen. Wir gewähren ihnen eine relativ kurze Suchdauer von sechs Monaten. Unser Konkurrent um die 'High Potentials', Deutschland, gewährt hier 18 Monate. Wir stehen hier in Konkurrenz und da zählen die kleinen Unterschiede oft sehr gewichtig." Diese Situation könnte sich in den nächsten Jahren noch verschlimmern. Dem österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der universitäre und außeruniversitäre Grundlagenforschung fördert, stehen massive Budgetkürzungen bevor. Wird der FWF auf ein Minimalbudget zusammengestutzt, müsste ein radikaler Stopp bei der Bewilligung von Forschungsprojekten und der Anstellung von jungen Wissenschaftlern erfolgen. Der Wissenschaftsstandort Österreich würde dadurch weiter an Attraktivität verlieren.