Ukraine: Angespannte Lage in Donezk

Die Unruhen im Osten der Ukraine haben sich zuletzt vor allem auf die Städte Lugansk und Donezk konzentriert. In Donezk halten prorussische Separatisten weiter das Gebäude der Regionalverwaltung besetzt. Sie verlangen ein Referendum über den Anschluss an Russland nach dem Vorbild der Krim. Was aber will die Mehrheit der Bevölkerung in Donezk und was die politische Elite in der Ost-Ukraine.

Pro-Russland-Demonstrant

(c) Pilipey, EPA

Morgenjournal, 12.4.2014

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Tiefe Depression in Donezk

Der Alltag in Donezk ist ruhig - Demonstrationen und Gebäudebesetzungen betreffen nur einen kleinen Teil der Stadt und nur einen kleinen Teil der Menschen hier, sagt Denis Kazanski von der lokalen unabhängigen Internetzeitung ostro.org.
Aber die allgemeine Stimmung der Menschen in Donezk und der gesamten Region ist schlecht, doch weniger aus aktuellen politischen Gründen denn aus wirtschaftlichen. "Dass plötzlich russische Truppen in der Stadt stehen könnten, das gilt hier eher als unwahrscheinlich, da gibt es kein Gefühl der Angst. Was es aber sehr wohl gibt, ist eine tiefe Depression hier. Die Fabriken sind geschlossen, die meisten Bergwerke und Minen ebenfalls, es gibt keine Arbeit mehr", sagt Kazanski.

"75 Prozent für Verbleib in Ukraine"

"Die meisten der Demonstranten, die meisten derer, die Gebäude besetzen hier, gehören zur Gruppe der wirtschaftlichen Verlierer, ohne jegliche Zukunftsperspektive", sagt Denis Kazanski. Mit ihrer lautstarken Forderung nach einer Angliederung an Russland haben sie die Mehrheit der Donezker nicht hinter sich. Aktuelle Umfragen zeigen, dass etwa 20 Prozent der Menschen hier für eine Angliederung an Russland sind, 5 Prozent für eine unabhängige Republik Donezk, die meisten Menschen aber, also 75 Prozent sind für einen Verbleib in der Ukraine, so Kazanski. Was in der Region Donezk so offensichtlich sei, ist dieses politische Machtspiel zwischen den lokalen Eliten, die alle aus der Janukowitsch-Partei der Regionen kommen und dem Zentrum, der neuen Regierung in Kiev, so der Journalist.

"Politiker nutzen Frust der Menschen aus"

"Unsere Politiker hier sind Janukowitsch-Leute, die mit ihm zusammengearbeitet haben. Diese nutzen nun den Frust der Menschen aus, nutzen diese Tumulte, um sich gegenüber Kiev Gehör zu verschaffen und Forderungen durchzusetzen. Denn prinzipiell hätten die lokalen Politiker natürlich all diese Demonstrationen beziehungsweise Ausschreitungen wie Besetzung von Regierungsgebäuden sofort unterbinden können, aber sie haben es treiben lassen, auch noch geschürt zum Teil, in ihrem Interesse", sagt Kazanski. Und ihr Interesse sei die Erhaltung ihrer alten Pfründe.

Lokale Eliten am längeren Ast

"Im Prinzip wollen sie einfach ihr altes korruptes System aufrechterhalten, das unter Janukowitsch war, ihr illegales Business. Sie wollen keine Veränderungen, sie wollen weiter an den Geldtrögen bleiben", sagt der Journalist. Für die Regierung in Kiev, die angetreten ist, mit dem Anspruch, echte Reformen durchzuziehen, wird es schwierig, hier eine Verhandlungsbasis zu finden, ohne an Glaubwürdigkeit zu verlieren, meint Denis Kazanski. Aus seiner Sicht würden derzeit die lokalen Eliten in Donezk, mit Moskau im Hintergrund, am längeren Ast sitzen.