Demenz: Neues Buch zeigt Betroffenensicht

Wie lebt man mit Demenz? Ein neues Buch beantwortet diese Frage nicht, wie so oft üblich, aus Sicht von Experten. "Ich bin, wer ich war" stellt vielmehr den Blick der Betroffenen und Angehörigen in den Mittelpunkt. Es liefert darüber hinaus Hilfestellungen für den sozialen, rechtlichen und pflegerischen Umgang mit dieser Erkrankung, von der in Österreich immer mehr Menschen betroffen sind. Heute Abend wird das Buch offiziell präsentiert.

Mittagsjournal, 28.4.2014

130.000 Demenzkranke in Österreich

"Es begann damit, dass sie alle Namen verwechselte. Dann wusste sie nicht mehr, was sie gegessen oder bestellt hatte. Auch zu ihrer Damenrunde ging sie nicht mehr. Sie konnte den Gesprächen nicht mehr folgen." Die Alzheimer-Krankheit, wie hier im Buch "Ich bin, wer ich war" beschrieben, beginnt oft schleichend. Wer an Demenz bzw. Alzheimer leider, verliert nach und nach sein Erinnerungsvermögen und die Orientierung. Die Diagnose erfolgt oft erst nach Jahren.

In Österreich leiden rund 130.000 Menschen an Alzheimer oder Demenz. 80 Prozent der Pflegearbeit wird informell von Familienangehörigen geleistet, hauptsächlich von Frauen. Oft wissen Angehörige von Demenzpatienten zunächst nicht, welche Pflegeangebote in ihrem Bundesland zur Verfügung stehen und wo sie sich selbst Unterstützung holen können. Hier möchte das Buch der Volkshilfe Österreich unterstützen, sagt Erich Fenninger. "Es werden konkrete Hilfen und Methoden angeboten, wie man sich in dieser Verantwortung auch überprüfen kann oder evaluieren kann. Es wird ein Pflegekompass vorgestellt, Netzwerkkarten, wo Angehörige schauen können, dass Sie ihr Netz erweitern", so Fenninger.

Bis 2050 doppelt so viele Betroffene

Mit Hilfe solcher Netzwerkarten sollen Angehörige erkennen, welche Unterstützungsangebote im privaten Umfeld und von professioneller Seite vorhanden sind, aber noch nicht genützt werden. Beim Pflegekompass wird die Versorgungssituation von Sozialarbeitern beurteilt, auch um die Belastung der pflegenden Angehörigen zu ermitteln. Denn für einen Großteil der Angehörigen stellt die Pflege von Demenzpatienten eine psychische Belastung dar. Mobile Pflegedienste und Tagesbetreuung sind hier eine wichtige Unterstützung, sind aber oft teuer oder nicht ausreichend vorhanden, erläutert Antonia Croy, Leiterin der Angehörigen-Vertretung "Alzheimer Austria": "Es gibt ein starkes Stadt-Land-Gefälle, es gibt ein West-Ost-Gefälle, und es herrscht einfach eine sehr große ungleiche Verfügbarkeit von Angeboten für die Kranken und für die Familie."

Hinzu kommt, dass viele Familien mit dem Pflegegeld nicht auskommen. Deswegen sei es notwendig, die finanziellen Ansprüche bei der Pflege bundesweit zu regeln und zu vereinheitlichen, betont Erich Fenninger, Geschäftsführer der Volkshilfe Österreich. Mögliche Modelle dafür wären eine Art Versicherung oder eine allgemeine Sicherung. "Die Versicherung wäre ein Modell, wo alle in einer gewohnten österreichischen Tradition Versicherung zahlen und damit Rechtsansprüche bekommen und damit garantierte Übernahme von Pflege zuhause", beschreibt Fenniger. Sicherung hätte den Vorteil, dass es nicht nur den Faktor Arbeit belastet, sondern auch eine steuerliche Einnahmequelle notwendig wäre und damit auch Vermögens- oder andere Steuern zugrunde lägen, so der Volkshilfe-Geschäftsführer. Fenninger formuliert diese Forderung auch im Hinblick auf steigende Betroffenenzahlen: Bis 2050 wird sich die Anzahl der Demenzpatienten mit großer Wahrscheinlichkeit auf 270.000 verdoppeln.