AP/MARC LENNINHAM
Über eine Pionierin der Ökologiebewegung
Rachel Carson
Rachel Carson gilt als Pionierin, nicht nur der amerikanischen Ökologiebewegung. Ihr Buch "Der stumme Frühling" löste 1962 in den USA eine politische Debatte über die Auswirkungen von Pestiziden auf Ökosysteme aus und führte schließlich zum Verbot von DDT – auch in Europa.
10. Oktober 2019, 16:35
Zwar gibt es in München das Rachel Carson Center for Environment and Society, dennoch gab es bisher keine deutschsprachige Biografie. Anlässlich ihres 50. Todestags am 14. April erscheint im oekom Verlag nun “Rachel Carson. Pionierin der Ökologiebewegung“. Dieter Steiner, emeritierte Professor für Quantitative Geographie und Humanökologie in Zürich, beschreibt darin das Leben und Wirken der ungewöhnlichen Frau.
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"Ich bin überzeugt, dass es noch nie eine größere Notwendigkeit als heute gegeben hat, über die natürliche Welt zu berichten und sie zu interpretieren. Die Annahme scheint mir vernünftig, dass je klarer wir unsere Aufmerksamkeit auf die Wunder und die Realitäten des uns umgebenden Universums richten können, desto weniger Zerstörungslust empfinden werden."
Das Zitat von Rachel Carson, das Dieter Steiner seiner Biografie über die Meeresbiologin vorangestellt hat, könnte nicht aktueller sein. Doch sind die Worte bereits mehr als ein halbes Jahrhundert alt. Rachel Carson hatte mit ihrer Buch-Trilogie über das Leben im Meer bereits drei Bestseller geschrieben. Nun sorgte sie sich zunehmend über die gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen der flächendeckenden Besprühung mit Insektiziden.
Dieter Steiner war bis zu seiner Emeritierung Professor für Quantitative Geographie und Humanökologie am Geographischen Institut der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. 2011 erschien sein Buch „Die Universität der Wildnis” über den amerikanischen Naturschützer John Muir. Danach lag es für ihn nahe, endlich eine deutschsprachige Biografie über Rachel Carson zu schreiben, die mitten im Kalten Krieg ihre Stimme gegen den vermeintlichen Fortschritt erhob.
Auf den Fotos in Dieter Steiners Biographie ist zu erkennen, wie Flugzeuge tonnenweise Pflanzenschutzmittel über Feldern und Wäldern versprühen. Die Piloten, schreibt er, seien nicht nach der Größe der überflogenen Fläche entlohnt worden, sondern nach der Menge des verspritzten Giftes. In der Überzeugung, die Pestizide seien unschädlich für Menschen, wurden sogar Privatgrundstücke besprüht – noch dazu ohne Vorwarnung.
Das Buch “Silent Spring” (Der stumme Frühling) von Rachel Carson erschien 1962 – und schlug in den USA ein wie eine Bombe. Eine hitzige Debatte entbrannte über das Für und Wider von DDT. Präsident John F. Kennedy verkündete, mit Verweis auf Carsons Buch, er werde eine Untersuchungskommission einberufen. Die chemische Industrie setzte derweil alles daran, Rachel Carsons Fachkompetenz zu diskreditieren.
Dieter Steiner, der zu der Zeit als junger aufstrebender Dozent an der Universität von Chicago tätig war, bekam von der ganzen Aufregung nichts mit, gesteht er. Das Gefühl, für seine Unaufmerksamkeit eine Schuld abtragen zu müssen, sei eine wichtige Motivation für sein Buch gewesen. Rachel Carson, schreibt er darin, hätte ein ökologisches Bewusstsein entwickelt, als die Ökologie noch kein anerkanntes wissenschaftliches Fach gewesen sei. Hinzu käme ihre literarische Begabung.
Rachel Carson, die 1907 in Springdale, Pennsylvania, geboren wurde, wollte ursprünglich Schriftstellerin werden und begann, englische Literatur zu studieren. Doch dann entdeckte sie ihre Leidenschaft für die Biologie - in den 1920er Jahren ein Studium in einem für Frauen schwierigen Feld. Im Anschluss daran fand sie eine Anstellung bei der Fischereibehörde als Redakteurin für Informationsbroschüren. Um ihr Gehalt aufzubessern, schrieb sie nebenbei Fachartikel für Zeitschriften.
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Ich dachte, ich hätte die Schriftstellerei für immer aufgegeben, sagte sie später. "Es kam mir nicht in den Sinn, dass ich mit der Wissenschaft etwas bekam, über das ich schreiben konnte."
Das Verbot von DDT in den USA und in Europa – das maßgeblich auf ihr Buch Silent Spring zurückging - erlebte Rachel Carson nicht mehr. Sie starb am 14. April 1962 an den Folgen ihrer Krebserkrankung. 1980 wird sie posthum mit der Presidential Medal of Freedom, der höchsten zivilen Auszeichnung der USA, geehrt.
Dennoch, so ihr Biograf, werde sie von vielen Vertretern der chemischen Industrie bis heute verantwortlich gemacht dafür, dass die Weltgesundheitsorganisation ihre Malariabekämpfung in Entwicklungsländern zeitweise unterbrach, woraufhin die Krankheit wieder zunahm.
In seiner Biografie greift Dieter Steiner vor allem auf die seither in den USA über Rachel Carson erschienene Literatur zurück. Manche statistische Angaben wirken daher nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit. In einem 16 Seiten langen Epilog gibt Dieter Steiner aber eine Übersicht über die Entwicklung bis heute.
Dabei hält der Autor nicht mit seiner Meinung zurück: “Wir lenken”, schreibt er, “etwas boshaft formuliert, die Vergiftung der Umwelt in geordnete Bahnen!” Sein persönlicher Zugang zum Thema ist nicht hinderlich, er lässt ihn vielmehr die Essenz wiedergeben: Rachel Carsons ganzheitliche philosophisch-ethische Betrachtungsweise des Lebens und der Natur.
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Wissenschaft ist Teil der lebendigen Realität. Es ist unmöglich, den Menschen zu begreifen, ohne ein Verständnis seiner Umwelt und der Kräfte, die ihn physisch und psychisch geformt haben.
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Dieter Steiner, "Rachel Carson. Pionierin der Ökologiebewegung. Eine Biographie", oekom Verlag