Narandra Modi: Erst Gujarat, dann Indien

Narandra Modi hat die Wahl in Indien mit seiner BJP-Partei überragend gewonnen. Vor allem das Thema Wirtschaft hat den Wahlkampf dominiert. Und die Frage: Wem trauen die Inder eher zu, Arbeitsplätze zu schaffen. Modi hat immer auf die wirtschaftlichen Erfolge in seinem Heimatbundesstaat Gujerat verweisen. Dort ist er seit 2002 Regierungschef. Ist Gujerat tatsächlich ein Modell für ganz Indien?

Mittagsjournal, 17.5.2014

Vorbild für ganz Indien?

Eine Überlandstraße im Bundesstaat Gujerat - gleich nach der Grenze. Das was sich hier für uns Mitteleuropäer ganz normal anhört, nämlich zügig fahrende Lkws auf einer Bundesstraße, ist für Indien eine Besonderheit. Die Straßen sind meist marod und mit Schlaglöchern übersehen. Ampeln gelten als Beleuchtungskörper und das Konzept der Einbahn ist auch auf sogenannten Autobahnen unbekannt. Doch hier in Gujerat sind zumindest die wichtigen Straßen in gutem Zustand. Und auch die Verkehrsregeln werden teilweise beachtet. Das ist einer der Gründe, warum dieser Bundesstaat und damit auch der bisherige Regierungschef Naredra Modi als Vorbild für das ganze Land gelten: halbwegs gute Straßen, Arbeitsplätze durch Industriebetriebe, rund um die Uhr Strom, unternehmerfreundliches Klima.

Gujerat ist auch, was die Industrialisierung anbelangt, ein Vorbild. Überall sieht man Fabrikshallen. Das sei aber nicht nur auf die Politik zurückzuführen sagt Victor Mallet, Korrespondent der Financial Times in Indien: "Zuerst einmal: Gujerat war immer ein Handelszentrum. Schon alleine durch die Lage an der Westküste hat man immer Handel mit dem arabischen Raum betrieben. Dann zweitens: Es ist hier deutlich leichter, Land für die Industrie bereit zu stellen. Denn viele Teile von Gujerat sind Wüste oder Halbwüste. Da nimmt man keinen Bauern das fruchtbare Land weg. Und es ist am Meer gelegen." Andere Bundesstaaten haben da Nachteile. Sie sind weit weg vom Meer - und haben schlechte Infrastruktur.

Umstrittene Liberalisierung

Ein weitere Hemmschuh für die Entwicklung in Indien ist das sehr komplizierte Arbeitsrecht, sagt Axel Sievers von der Deutschen Böll Stiftung in Indien. Und auch da ist Gujerat in einer Vorreiterposition. Da hat man die Gesetze deutlich gelockert. Das ist auch einer der Kritikpunkte der Modi Gegner. Sie verweisen darauf, dass zwar die Wirtschaftsleistung in Gujerat gestiegen ist, die sozialen Indikatoren aber gesunken sind.

Dem kann man hier im Büro des Blue Snail Verlags nichts abgewinnen. Hier schätzt man Narendra Modi sehr. Vor allem deshalb weil man mit ihm ein äußerst gutes Geschäft gemacht hat. Dieser Verlag hat nämlich ein Comic-Heft mit den Jugend Heldentaten des kleinen Narendra herausgegeben. Wie etwa der Geschichte, dass er mit einem - wenn auch kleinem - Krokodil gekämpft habe, um einen Freund in einem Teich zu retten. Modi steht für gutes Geschäft, sagt der Chef hier: "Jeder mag ihn - Und ja, auch ich mag ihn und er ist auch der Richtige für den Posten des Regierungschefs. Denn wir haben gesehen was die Kongresspartei in den vergangenen zehn Jahren geleistet hat. Nichts nämlich. Und wir haben gesehen was Modi hier in Gujerart geleistet hat. Beschäftigung, Entwicklung aber auch Bildung. Er hat viele gute Dinge gemacht."

Frage der Religion

Gerade in der Bildungspolitik hat er seine Gegner überrascht. Modi gilt zwar als wirtschaftsliberal, aber gesellschaftspolitisch als konservativ. Doch in Gujerat werden die Mädchen besonders gefördert. Sie müssen bis zur achten Schulstufe kein Schulgeld bezahlen. Und auch die Universitäten können sie günstiger besuchen. Doch auch in Gujerat selbst sehen nicht alle alles so rosig. Die Politik, die er in Gujerat gemacht hat, wird sich nicht so leicht auf ganz Indien umlegen lassen, sagt diese Frau. Denn Modis Hindu-Nationalismus werde viele vor den Kopf stoßen: "Gujerat ist ein mehrheitlich hinduistischer Staat. Also ist es einfacher für ihn seine Sachen durchzubringen. Aber wenn er andere Religionen gegen sich aufbringt, wird es schwer werden für ihn."

Denn die Regionalparlamente haben ein gewichtiges Wort mitzureden in Indien. Sie können überregionale Infrastrukturprojekte leicht blockieren. Es wird also für den neuen Regierungschef Narendra Modi nicht möglich sein, die Rezepte aus Gujerat einfach auf ganz Indien umzulegen. Aber viele Dinge sind sicherlich sehr gut gelaufen hier - und im Gegensatz zu anderen Politikern kann Modi schon konkrete Erfolge in der Vergangenheit vorweisen.