Wahlkampf auf Indisch: Smartphone statt Wohnung

Kein Dach über dem Kopf. Schon gar keine Toilette oder Dusche. Aber ein Smartphone in der Tasche. Auch das ist die Realität in Indien. Viele Menschen leben nach wie vor in Armut, müssen sich mit Tagelöhnerarbeit durchschlagen, um das tägliche Leben im indischen Chaos zu organisieren. Um zu Arbeit - aber auch zu Informationen zu kommen, ist das Smartphone unabdingbar. Und so spielt sich ein beachtlicher Teil des Wahlkampfs auch im Internet ab.

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Mittagsjournal, 9.5.2014

Webdemokratie

Es ist das übliche Durcheinander in Indiens Städten, hier in Delhi ist es nicht anders: fünf Reihen Autos auf einer vierspurigen Straße, dazu kommen 40 Grad Lufttemperatur, Dreck und Schlamm. Hunderttausende hausen mehr schlecht als recht unter diesen Umständen an den Straßenrändern. So etwa Injarit, er verkauft Kleinkram an einer Straßenecke am Conard Place. Der Arbeitsplatz ist gleichzeitig auch sein Schlafplatz. Sein ganzer Stolz ist das Smartphone. Nicht die neueste Generation, abgegriffen, der Bildschirm zerkratzt. Aber: es funktioniert. Auch er ist zur Wahl gegangen, sagt er. Denn auch wenn man arm ist, hat man doch ein Recht mitzubestimmen. Und die Informationen zur Politik, die holt er sich aus dem Internet: "Mit diesem Smartphone habe ich eine schnelle 3G-Verbindung, kann E-Mails schreiben, auch alle Informationen die ich brauche, auch über die Wahl, finden."

Bemerkenswerterweise vertraut man den gedruckten Zeitungen hier nicht. Doch Internetseiten, die aber oft von genau diesen Seiten betrieben werden, traut man schon - zumindest Injarit: "Wenn man eine Zeitung in der Früh liest, da steht doch nicht die Wahrheit drinnen. Sie schreiben doch, was die Regierung will. Im Internet gibt es die Freiheit, da erfährt man auch die anderen Dinge. Aber in indischen Zeitungen, da wird so viel gefälscht."

Parteien investieren in Social Media

Raheel Khursheed von der Universität Delhi forscht im Bereich Social Media. Für ihn ist die Tatsache, dass sich ein beachtlicher Teil des Wahlkampfes ins Internet verlagert hat, keine Überraschung: "Jeder der wichtigen Kandidaten ist auf den Social-Media-Plattformen vertreten, die meisten auf Twitter. Um Neuigkeiten direkt zu den Wählern zu bringen, aber auch um ihre Positionen zu neu aufgetauchten Themen zu erklären. Einfach, um sich mit den Wählern zu vernetzen."

In den politischen Parteien ist die Wichtigkeit von sozialen Medien und dem Internet im Allgemeinen angekommen. Vor allem wenn es darum geht, die Abermillionen armen Wähler zu erreichen. Deshalb wird auch kräftig in den Online-Auftritt investiert, denn nur wer seine Informationen aktuell hält, bekommt Aufmerksamkeit. Raheel Khursheed dazu: "Vor allem Fotos dominieren den Internetwahlkampf, aber auch wirklich politische Informationen, darüber, wofür die Kandidaten stehen, steht da drinnen. Für mich ist es eine Freude, das alles zu sehen."
Sollte Narendra Modi also den vorausgesagten Wahlsieg schaffen, dann hat er es auch dem Internet zu verdanken. Denn auch wenn seine Gegner kein gutes Haar an ihm lassen, in einem sind sie sich einig: seine Social Media–Kampagne ist die beste im Wahlkampf.