Ungarn: Rechte auch bei EU-Wahl auf Vormarsch

In Ungarn ist der bisher lahm dahinplätschernde Wahlkampf für das Europaparlament quasi über Nacht in den Blickpunkt einer breiten Öffentlichkeit gerückt. Eine regierungsnahe Zeitung will aufgedeckt haben, dass der Politiker Béla Kovacs, der für die rechtsextreme Partei Jobbik im EU Parlament sitzt, für Russland spioniert haben soll. Dem Zulauf für Jobbik tut das aber keinen Abbruch, sagen Meinungsforscher.

Jobbik-Flaggen

(c) APA/EPA/BALAZS MOHAI

Mittagsjournal, 21.5.2014

Aus Budapest,

Jobbik: "Verleumdungsfeldzug"

Kovacs kandidiert auf der Jobbik-Liste an der aussichtsreichen dritten Stelle. Angeblich sind die Spionage-Vorwürfe gegen Kovacs so gravierend, dass die ungarische Generalstaatsanwaltschaft bereits bei EU-Parlamentspräsident Martin Schulz die Aufhebung der Immunität des Jobbik-Politikers beantragt hat. Kovacs soll nach Angaben einer Zeitung vertrauliche Informationen aus den Brüsseler EU-Institutionen dem russischen Geheimdienst zugespielt haben. Kovacs bestreitet das. Mehr ist nicht bekannt, der Fall gilt als streng geheim. Nur der ungarische Parlamentsausschuss für nationale Sicherheit und der Präsident des EU-Parlaments Martin Schulz wüssten Bescheid, heißt es. Jobbik-Parteichef Gábor Vona spricht von einem "Verleumdungsfeldzug", der nur dazu diene, die Chancen seiner Partei bei den kommenden EU-Wahlen zu schmälern.

Zuwachs auf 25 Prozent?

Tatsächlich wird der antisemitischen und rechtsradikalen Partei ein weiterer Stimmengewinn vorausgesagt. Jobbik konnte bei der ungarischen Parlamentswahl Anfang April von 17 auf 21 Prozent zulegen. Am kommenden Sonntag könnten es gut 25 Prozent werden, wie Meinungsforscher prognostizieren. Jobbik punktet vor allem bei jungen Männern bis 30 mit dem Argument, dass die EU Ungarn kolonisieren wolle, dass Ungarn in der EU seine nationale Souveränität verlieren würde. Die Nummer zwei der Jobbik-Liste für die EU Wahl, Zoltán Balczó formuliert das so: "Es ist uns völlig klar, dass die Verteidigung der nationalen Interessen in der heutigen EU nicht möglich ist, weder für Ungarn noch für andere Nationen."

Die Spitzenkandidatin von Jobbik, Krisztina Morvai, ist überzeugt, dass die EU Kommission nur die Interessen der internationalen Finanzwelt vertritt, nicht aber die ihrer Mitglieder: "Es stehen einander zwei Wertsysteme gegenüber: das der Banken und des Großkapitals auf der einen Seite und das der Arbeitnehmer, Kleinunternehmer und Landwirte auf der anderen. Die EU vertritt nur das erstgenannte Wertesystem."

Moderate Töne

Auffallend für viele Politologen in Ungarn ist, dass Jobbiks Anti-EU-Rhetorik im Wahlkampf moderater geworden ist. Zwar üben Jobbik-Politiker immer noch heftige Kritik an der Europäischen Union und ihren Institutionen, einen Austritt Ungarns oder gar die Auflösung der EU wollen die Jobbik-Leute aber nicht. Man will Unabhängigkeit von der EU, aber trotzdem Mitglied bleiben, wie die politische Analystin Julia Lakatos meint.

Der EU-Wahlkampf in Ungarn drehte sich vor allem um die Frage, wer die stärkste Opposition zur Regierungspartei Fidesz unter Ministerpräsident Orbán sein wird, der wieder mit gut 40 Prozent der Stimmen rechnen darf. Die Polit-Analystin Julia Lakatos sagt: "Es ging im Wahlkampf hauptsächlich um Innenpolitik und um Jobbik. Vor allem um die Frage, wer wird stärkste Oppositionskraft."
Dass der Spionage-Fall Kovacs ausgerechnet jetzt, so knapp vor der Wahl aufplatzt, lässt viele in Ungarn vermuten, dass von den Vorwürfen nach der Wahl nicht mehr viel übrig bleiben dürfte. Sollten bis Sonntag allerdings Beweise ans Licht der Öffentlichkeit kommen, dann könnte Jobbik im Endspurt auch noch Stimmen verlieren.

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