Sport als Entertainment

Sport und Sport sind bekanntlich nicht dasselbe. Wenn wir Rad fahren, Schi laufen, schwimmen oder joggen, dann betreiben wir Sport als Hobby oder als Ausgleich zu unserem Beruf. Es geht um Bewegung und um den Wunsch, auch im fortgeschrittenen Alter beweglich zu bleiben.

Natürlich geht es auch dabei ums Geld, denn einerseits ist der Freizeitsportler Konsument und hält eine ganze Industrie im Laufen, andererseits hilft "der Sport als Teil des Lebensstils in einem modernen Gesundheits- und Sozialsystem volkswirtschaftliche Kosten zu sparen", wie es in der Broschüre "Fit für Österreich" heißt. Und dann gibt es den Leistungssport, den Sport als Beruf und Geschäft.

Konstruierter Nutzen

Will jemand im Sport Spitzenleistungen erbringen, muss er oder sie sich zu hundert Prozent einbringen. Da Sportler außer Leistung aber nichts produzieren, was von gesellschaftlichem Nutzen sein könnte, wird ein solcher Nutzen konstruiert. Nicht von den Sportlern, sondern von Vermarktungsspezialisten.

Es begann – in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - mit der ideologischen Nutzbarmachung des Sports, sei es im Sinne autoritärer Regime oder im Sinne der Völkerverständigung und des Weltfriedens. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kam der kommerzielle Mehrwert hinzu. Aus dem schwer zu entwirrenden Geflecht aus Veranstaltern, Medien, Sportartikelindustrie, Werbewirtschaft, Rechtehändlern, Politik und Sponsoren bildete sich das mit Abstand wichtigste Segment der Unterhaltungsindustrie heraus.

Nirgendwo ist so viel Geld im Umlauf, nirgendwo sind die Geldflüsse so wenig transparent und nach wie vor gibt es keine effektivere Inszenierungsmöglichkeit für Politiker, wie große, publikumswirksame Sportveranstaltungen. Olympische Spiele etwa, wie zuletzt in Sotschi oder Peking. Oder die umstrittene Fußballweltmeisterschaft 2022 im arabischen Emirat Katar.

Marken, Maschen und Moneten

Sport als Entertainment hat wenig mit der oft suggerierten völkerverbindenden Kraft des Wettbewerbs unter fairen Bedingungen zu tun. Dieter Mussler weiß das nur zu gut, denn er hat selbst Sportevents vermarktet, hat versucht, Marken zu kreieren und zu positionieren, Investoren zu finden und aufgrund individueller Leistungen von Sportlern Geld zu bewegen. Dieter Mussler war viele Jahre lang Teil eines Geschäftsmodells, das, ähnlich dem Kapitalmarkt, mehr oder weniger unkontrolliert wuchern konnte, ehe es in die Krise geriet.

Was der Brancheninsider Mussler aus seinem Wissen macht, ist allerdings bescheiden. Dass die "Gelddruckmaschine Spitzensport" – um den ehemaligen IOC-Präsidenten Jacques Rogge zu zitieren - keine moralische Anstalt ist, weiß man schon lange. Ob es sich um Doping im Radsport handelt, um Korruption im Formel-1-Management, um Schiebereien und Intrigen in den Vorständen der FIFA und des IOC, ob Fußballweltmeisterschaften und Olympische Spiele ungeachtet der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Situation in den Austragungsländern durchgezogen werden – immer stehen hinter dem sportlichen Wettkampf reichlich unsportliche Interessen: Geld, Macht und Quoten. Oder, wie Dieter Mussler boulevardkompatibel zu formulieren pflegt: "Marken, Maschen und Moneten".

Unzuverlässige Sponsoren

Dass der Spitzensport seine Unschuld verloren hat, wie oft – und auch von Dieter Mussler - moniert wird, ist eine Binsenweisheit. Dass ein großes Ungleichgewicht in der medialen Wahrnehmung und in der Finanzierung unterschiedlicher Sportarten besteht, liegt auf der Hand. Im Fußball wird viel Geld verdient, im Diskuswerfen wenig. Das alles muss einem keiner erklären, und wenn er es doch tut, indem er etwa ein Buch darüber schreibt, sollten Fakten das Allgemeinwissen untermauern.

Dass sich Wladimir Putin die Olympischen Spiele in Sotschi geschätzte 40 Milliarden Euro kosten ließ und dass davon ein großer Teil in privaten Taschen verschwand, konnte man in allen Zeitungen lesen. Dass Sponsoren launisch sind und eine langfristige Planung mit deren Zuwendungen nicht möglich ist, hat man etwa im Fall von Frank Stronach und Austria Wien miterleben können.

Wunsch nach Win-win-win-Situation

Die meiste Zeit stellt Dieter Mussler nur fest, dass die Dinge eben so und nicht anders liegen. Insofern ist sein Buch die Zusammenfassung dessen, was in den letzten Jahren zum Thema Sport und Geld in den Medien zu lesen, hören und sehen war. Man erfährt zwar auch, dass Sportfunktionäre auf Korruption und Imageverlust reagieren und Ethikkommissionen und dergleichen ins Leben rufen, doch in der Praxis wird die Kuh gemolken, bis sie tot umfällt. Ein anschauliches Beispiel dafür ist Bernie Ecclestone und der immer mehr an Bedeutung verlierende Formel-1-Zirkus.

Dieter Mussler wünscht sich sauberes Entertainment, das heißt: einen Ausgleich zwischen sportlicher Leistung und wirtschaftlichen Interessen. Anders gesagt: eine Win-win-win-Situation, bei der die Sportler, die Investoren und das Publikum gleichermaßen zu ihrem Recht kommen. Ob das je funktioniert, wissen wir nicht. Beispiele dafür gibt es keine. Und dass Mussler seine Hoffnungen auf FIFA-Präsident Joseph Blatter und IOC-Präsident Thomas Bach setzt, zeugt entweder von unendlichem Optimismus oder von der berühmten Tür, die ein gefragter Berater im Sportmarketinggeschäft offen lassen möchte.

Service

Dieter Mussler, "Sport als Entertainment", Frankfurter Allgemeine Buch Verlag