Erich Hackl: "Drei tränenlose Geschichten"
Erich Hackl, einer der bekanntesten österreichischen Autoren seiner Generation, hat 1987 mit "Auroras Anlaß" ein fulminantes Debüt gegeben. Seither verfolgt er beharrlich seinen Weg als Spezialist für die "dunklen Seiten" der österreichischen, spanischen und lateinamerikanischen Geschichte. Am Montag feiert Erich Hackl seinen 60. Geburtstag, und rechtzeitig ist auch ein neues Buch von ihm erschienen: "Drei tränenlose Geschichten".
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 23.5.2014
Viel ist Victor Klagsbrunn nicht geblieben von seinen Vorfahren: Ein Plakat von einem Fußballspiel auf der Hohen Warte in Wien aus dem Jahr 1932 erinnert ihn noch an seinen Großvater Leo, an die Geschichte seiner Familie, eine Verfolgungsgeschichte. In Rio de Janeiro ist Erich Hackl, nach einer Lesung an der staatlichen Universität, Victor Klagsbrunn 2010 zum ersten Mal begegnet. Damit war das Interesse geweckt, sich mit der Familiengeschichte genauer auseinander zu setzen.
Fotos ersetzen Stammbaum
Eine Spurensuche, die in Wien Floridsdorf beginnt, kreuz und quer durch Südamerika führt, zurück nach Europa und schließlich wieder nach Brasilien. "Ein Stammbaum fehlt, deshalb müssen wir uns dringend an das Foto halten", mit diesem Satz beginnt Erich Hackl seine Erzählung. Fotos spielen auch eine zentrale Rolle in den andern beiden "tränenlosen" Geschichten: Erich Hackl erzählt von seiner Begegnung mit Wilhelm Brasse, der als Lager-Fotograf das Grauen von Auschwitz dokumentieren musste und er erzählt von der Linzer Widerstandskämpferin Gisela Tschofenig, die im KZ Dachau geheiratet hat und wenige Tage vor Kriegsende hingerichtet wurde.
Erich Hackl bringt die Bilder zum Sprechen, genauer gesagt: Er fragt nach, reist seinen Protagonisten hinterher, recherchiert in Archiven und Bibliotheken und zu guter Letzt gelingt es ihm, die vielen Details, all die Stimmen, kunstvoll miteinander zu verweben. Mit den Lücken, mit dem was sich nicht mit Fakten belegen lässt, geht Erich Hackl sehr vorsichtig um, immer wieder heißt es "vielleicht", "vermutlich" oder "anzunehmen, dass".
"Es ist fast schon zu spät, diese Geschichten zu erzählen", sagt Erich Hackl. Er spricht von einem "Unbehagen", das manche bei der Lektüre befallen könnte und bezeichnet die Erzählungen auch als "spröde". Wie man Geschichten erzähle, hänge stets vom politischen Umfeld ab, sagt der Autor: "Wir leben in einer reaktionären Zeit und umso schwerer ist es, dagegen zu halten." Erich Hackl tut das unverdrossen und für den Leser mit großem Gewinn.
Service
"Drei tränenlose Geschichten" sind bei Diogenes erschienen. Heute Abend liest Erich Hackl aus dem Buch im Festsaal von Schloss Traunsee.