Was wir im All fürs Leben lernen können

Anleitung zur Schwerelosigkeit

Ein Mann hat es geschafft, sich aus der anonymen Masse der Astro- und Kosmonauten, die in der ISS ihren Dienst versehen, hervorzutun: der kanadische Astronaut Chris Hadfield. Er nahm seine Gitarre und sang ein Lied – während er in der ISS schwebte - und die ganze Welt war begeistert. Jetzt hat Hadfield ein Buch geschrieben.

Mit "Space Oddity" zum Erfolg

Es war der 13. Mai 2013 und der letzte Tag auf der Internationalen Raumstation für Chris Hadfield. Der Kanadier stellte ein Musikvideo online, das erste Musikvideo, das im All gedreht wurde: eine Coverversion von "Space Oddity" von David Bowie.

Während Chris Hadfield auf dem Weg zur Erde war, hörten sieben Millionen Menschen diesen Song. Und niemand ahnte, wie gefährlich die letzten Tage waren: Die ISS hatte ein Leck, aus dem Ammoniak ausgetreten war. Zwei Astronauten mussten spontan eine Reparatur im Weltraum vornehmen, ein riskanter Einsatz, doch auf der Pressekonferenz unmittelbar nach einer turbulenten Landung war das Musikvideo Hauptthema.

Besser Null als Plus Eins

Chris Hadfield ist eine echte Null. Das ist ein Kompliment, wenn man sein Buch gelesen hat, denn Hadfield ist nach seinen drei Weltraumaufenthalten ein klügerer Mann als davor. Der Originaltitel "Astronauts Guide to Life" vermittelt besser als der deutsche Titel "Anleitung zur Schwerelosigkeit", was der Autor mit dem Buch will. Hadfield warnt davor, ein aufgeblasener Besserwisser zu sein. Eine Null zu sein bedeutet im besten Sinne, nichts zu vermasseln oder schlimmer zu machen.

Daher sein Rat: Bemühe dich, eine Null zu sein! Wenn du eine Plus eins bist, werden es die anderen ohnehin merken. Nach drei Weltraumflügen weiß er, dass immer etwas Unvorhergesehenes passiert und man nie alles wissen kann.

Auf die Details kommt es an

Sein erster Weltraumspaziergang im Jahr 2001 war ein großes Ereignis, denn es war der erste EVA eines Kanadiers. Fünf Stunden arbeitete Hadfield im All, als plötzlich Wassertropfen in seinem Helm herumschwebten.

Hadfield konnte 20 Minuten lang nichts mehr sehen, erst als er Sauerstoff abgelassen hatte, verbesserte sich seine Lage wieder. Ein winziges Detail hatte das Problem verursacht: das Spülmittel für das Helmvisier war nicht ordentlich weggewischt worden und hatte sich mit Tränen zu brennenden Tropfen vermischt.

"Wenn ein Astronaut bei der Arbeit stirbt, ist der Grund meist ein übersehenes Detail", schreibt Hadfield. Die wichtigste Frage, die einen Astronauten immer beschäftigt ist: "Von wo droht mir als nächstes Lebensgefahr?"

Alltag im All

Hadfield zeigt, wie ein Astronaut denkt und lebt. Dass er das medienwirksam kann, hat er bereits mit rund 100 Videos, in denen er den Alltag im All erklärt, unter Beweis gestellt: dass man z. B. die Zahnpasta runterschlucken muss, weil sie sonst dem nächsten ins Gesicht fliegt. Er ist berühmt als der Typ, der von der ISS twittert und spektakuläre Bilder schickt.

Und jetzt - zurück auf der Erde - beschreibt er in seinem Buch, was einen guten Astronauten ausmacht: Training, Training, Training. Und er gesteht ein, dass er jemand ist, der sich am Abend noch einmal ins Cockpit setzt und die Checkliste durchgeht, wenn alle anderen schon nach Hause gehen.

Sein Lebenslauf sieht vermutlich deshalb wie eine Bilderbuchkarriere aus: Ingenieur, Kampfpilot, Testpilot, Astronaut. Dabei gab es viele Hindernisse - Hadfield hat zum Beispiel Höhenangst - und auch Rückschläge. Vor allem blieb die Familie auf der Strecke. Hadfield hat drei Kinder und in manchen Jahren war er nur ein paar Wochen zu Hause. Er musste erst lernen, abzuwägen, was ihm wichtiger war.

Engagement für Umweltschutz

Der Kanadier ist nicht der erste, der über seine Weltraumabenteuer schreibt. Besonders amüsant ist zum Beispiel das Tagebuch der Amerikanerin Shannon Lucid, das sie auf der russischen Raumstation MIR geschrieben hat. Oder das Tagebuch des Russen Valentin Lebedev. Damit kann es Hadfield locker aufnehmen: selbstironisch, spannend und detailreich erzählt er aus seinem Astronauten-Leben. Hadfield weiß, dass er nur eine Fußnote in der Raumfahrtgeschichte ist, obwohl er 1995 der erste Kanadier im All war. Der Blick auf die Erde hat ihm eines gezeigt:

Service

Chris Hadfield, "Anleitung zur Schwerelosigkeit. Was wir im All fürs Leben lernen können", aus dem kanadischen Englisch übersetzt von Elisabeth Schmalen und Johanna Wais, Heyne Verlag