Im Journal zu Gast: Valentin Inzko
Die Flutkatastrophe hat in Serbien, Kroatien und in Bosnien-Herzegowina massive Schäden angerichtet. Besonders schwierig ist die Situation in Bosnien, weil dort seit fast zwei Jahrzehnten politischer Stillstand herrscht. Valentin Inzko ist der hohe Repräsentant in Bosnien-Herzegowina. In der Krise, die die Flutkatastrophe ausgelöst hat, sieht er eine Chance für die Völker in Bosnien-Herzegowina, zusammenzuwachsen.
8. April 2017, 21:58
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Mittagsjournal, 24.5.2014
Im Journal zu Gast: Valentin Inzko
"Katastrophe vielleicht auch Chance"
Mit der Bewältigung der Flutkatastrophe durch die Behörden ist der Botschafter zufrieden. Sie hätten gut auf die Katastrophe reagiert, in einem Land, in dem sie sich, in den vergangenen zwei Jahrzehnten, aus politischen und ethnischen Gründen, ständig blockiert haben. Das Verteidigungsministerium sei mit den wenigen Hubschraubern und Lastwagen, die sie haben sehr aktiv. Auch die Soldaten seien pausenlos im Einsatz, einigen von ihnen hatten ihre eigenen Häuser verloren und sind trotzdem im Katastropheneinsatz tätig, so Inzko. Einen Wehrmutstropfen gab es allerdings im Ministerrat. "Aufgrund einiger Bedenken war es nicht möglich auf staatlicher Ebene den Notstand auszurufen, diesen gab es nur auf Länderebene." Abgesehen davon habe die Katastrophe allerdings gezeigt, dass die Grenzen zwischen Kroatien, Serbien und Bosnien eigentlich völlig irrelevant sind. "Das Wasser sucht sich keine Grenzen aus. Man hat gesehen, dass auch die Hilfsbereitschaft keine Grenzen kennt. So hat beispielsweise eine sogenannten moslemisch bosniakische Gemeinde den Serben geholfen, eine katholische Gemeinde hat den Moslems geholfen und niemand hat gefragt welchem Volk gehörst du an. Dieses mal gab es nur Menschen in Not und das ist vielleicht eine Chance für ein neues, anderes Bosnien-Herzegowina", sagt Inzko.
Nach Wasserrückgang drohen Seuchen
Durch die Katastrophe mussten 40.000 Menschen evakuiert werden, insgesamt sind von der Katastrophe eine Million Menschen betroffen. "Jetzt wo das Wasser zurückgeht wird es zu den Seuchen und Epidemien kommen. Das heißt jetzt kommt die zweite schwierige Phase. Ein Großteil der Menschen ist ohne Strom und Wasser. Im Norden des Landes wird ein Feldspital gebraucht, Pumpen werden benötigt. Wer spenden will soll dass bitte über Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz oder die Caritas tun", sagt Inzko. Die Korruption in Bosnien ist leicht vorhanden wurde allerdings eingeschränkt. Zollgebühren für Hilfslieferungen waren während des Krieges der Fall, jetzt nicht mehr. Der Bosnische Staat habe sich in den letzten 18 Jahren konsolidiert. Ein Missbrauch würde die Moral der Helfer vernichten, das wolle man nicht, sagt Inzko.
Gefahr durch angeschwemmte Minen
Ein großes Problem seien derzeit die weggeschwommenen Minen und überhaupt Waffen. Mittlerweile ist die erste Mine explodiert. Das nächste Problem ist Finanzierung der Entsorgung von Schlamm indem sich Minen befinden können, das sei extrem teuer. In den betroffenen Gebieten werden Minensuchgeräte gebraucht. Die Leute werden trotzdem zurückgehen in die Häuser, müssen aber besonders vorsichtig sein. Zwar wurde ein Teil der Minen in den vergangenen Jahren geräumt allerdings ist das ein sehr langwieriger Prozess. Die Entsorgung passierte vor allem in Gebieten wo Menschen wohnen, jetzt werden allerdings auch Minen aus unbewohnten Gebieten angeschwemmt. Die Internationale Gemeinschaft und die Behörden hätten alles unternommen um die Minen zu entfernen, allerdings sei die Finanzierung immer ein Problem.
"Ereignisse könnten zu einem anderen Bosnien führen"
Bei der Entsorgung der Minen erwartet sich Inzko jetzt keine Wunder. "Die Priorität wird zwar sein, dass Experten in die betroffenen Gebiete entsandt werden, aber ganz, ganz, schnell wird das auch jetzt nicht gehen", sagt Inzko. Die Gefahr einer politischen Blockade bestehe immer sagt Inzko aber durch die Katastrophe sei ein neues Bewusstsein entstanden, dass der Mensch im Vordergrund steht und nicht die Politik. Die vergangen Demonstrationen gegen soziale Missstände sieht Inzko positiv. Diese hätten zu einem neuen Bewusstsein beigetragen, vier Regierungen sind zurückgetreten, viele Forderungen der Demonstranten wurden erfüllt. Das war ein zartes Pflänzchen der Demokratie. Das und die Hochwasserkatastrophe werden vielleicht als Resultat ein anderes Bosnien haben.