Frankreich: Flüchtlingscamp in Calais geräumt

Die nordfranzösische Hafenstadt Calais ist wieder Schauplatz von Flüchtlingsdramen: Tausende Emigranten versuchen, von dort nach Großbritannien zu kommen. Wiederholt wurden in der Vergangenheit Flüchtlingslager, die sich gebildet hatten, von den Behörden aufgelöst. Heute Vormittag haben Ordnungskräfte erneut ein Lager mit 600 bis 800 Flüchtlingen geräumt.

Mittagsjournal, 28.5.2014

Aus Frankreich

Behörden sprechen von Krätzeepidemie

Das Camp in und um ein verlassenes Gebäude der Eisenbahn im Hafengelände von Calais existierte seit Oktober letzten Jahres. Nach einer spektakulären Demonstration syrischer Flüchtlinge hatten die Behörden den Betroffenen dieses Gelände überlassen. Heute Morgen rückten dann aber die Sicherheitskräfte an: Die Zahl der Flüchtlinge, so begründen die Behörden die Räumung, sei in den letzten Wochen exponentiell angestiegen und die hygienischen Zustände seien nicht mehr tragbar. Sie verweisen auf eine Krätzeepedemie, von der ein Viertel der Flüchtlinge betroffen sei.

Eine Mitarbeiterin der Hilfsorganisation "Ärzte der Welt" beklagt das überstürzte Vorgehen: "Die Flüchtlinge werden jetzt durch die Stadt irren, bei manchen wird sich der ohnehin schlechte Gesundheitszustand noch weiter verschlechtern." Die Politik der Repression und der Räumung führe zu nichts, man verlagert das Problem nur auf den Bürgersteig gegenüber, sagt sie.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren Räumung

Menschenrechtsorganisationen verurteilten am Morgen eine, wie sie sagen, nur für die Medien organisierte Aktion und fragen sich, ob die jüngsten EU-Wahlergebnisse nicht mit ein Grund für die heutige Räumung sind. In der Jahrzehnte lang von Kommunisten regierten Stadt Calais hat die Nationale Front am Sonntag 32 Prozent erzielt.

Viele der betroffenen Flüchtlinge haben das Lager schon vor der Polizeiaktion verlassen. Youssef, ein Syrer, meint resigniert: "Wir werden eben unsere Zelte mitnehmen und in den Dschungel gehen, wir haben Schlafsäcke und werden auf der Straße oder in den Parks schlafen und wir werden so diskret wie möglich sein." Er werde aber in Calais bleiben, bis er es geschafft habe, er habe schließlich ganz Europa durchquert, um hierher zu kommen. "14 Mal habe ich es schon versucht, dort drüben gibt es mehr Möglichkeiten. Dort kann man schwarz arbeiten, nicht wie hier, hier gibt es auch viele Kontrollen, ganz anders als in England."

Flüchtlinge kommen schneller aus Italien

Die Zahl der Flüchtlinge in Calais - überwiegend Syrer, Afghanen, Sudanesen und Erythräer - ist in den letzten Wochen deutlich gestiegen. Sie kämen zur Zeit einfach schneller aus Italien hierher, heißt es, weil die italienischen Behörden angesichts der großen Zahl teilweise darauf verzichtet hätten, ihre Fingerabdrücke zu nehmen. Damit tauchen sie nicht in der so genannten EURODA-Kartei auf und können nicht wieder nach Italien zurückgeschickt werden.