Flüchtlinge als Wahlkampfthema in Italien

Seit Monatsbeginn wächst wieder die Zahl der Flüchtlinge übers Meer nach Süditalien. Durch den Schock im vergangenen Oktober mit 368 Ertrunkenen vor Lampedusa ist die Überfahrt sicherer geworden: Die Operation der italienischen Marine „Mare Nostrum“ holt die Menschen von ihren wackelingen Booten. "Schluss mit der Operation!" verlangen Italiens Rechtsparteien und benutzen die Flüchtlinge im Wahlkampf.

Mittagsjournal, 25.4.2014

Wahlkampf ohne Skrupel

"Hunderttausende warten in Nordafrika auf die Überfahrt nach Europa!" - so schlägt Innenminister Angelino Alfano, Chef des konservativen Juniorpartners der Regierung, gewiss übertreibend, Anfang April Alarm - und wendet sich dabei wie stets vor allem an Brüssel.

Immerhin 27.000 Bootsflüchtlinge haben seit Beginn der Operation "Mare Nostrum" Sizilien erreicht, ein Rekordwert in der Tat. Tote hat es seit der Tragödie im Oktober zum Glück nicht mehr gegeben. An Land ist Italiens Aufnahmesystem einmal mehr und nicht überraschend überfordert und die Öffentlichkeit alarmiert. Der Großteil der Ankömmlinge sind derzeit asylsuchende Syrer und Eritreer.

"Mare Nostrum" macht die Überfahrt nicht nur sicherer: Sie beflügelt offenbar auch das grausame Geschäft der Schlepper. Das Ganze ist zu einem zynischen Spiel geworden, das Italiens Rechtsparteien in ihrem Wahlkampf ohne Skrupel nützen. Allen voran die Lega Nord, die mit ihrem neuen Chef Matteo Salvini, einen radikalen Anti-EU-, Anti-Euro- und Anti-Ausländer-Wahlkampf führt. Die Lega verlangt das sofortige Aus der Operation.

Attacken der Lega Nord

"Italien ist das einzige Land, das seine Armee dazu benützt, um sich stürmen zu lassen", schreibt Salvini auf seinem Facebook-Profil. "Eine gescheiterte Operation", so der Lega-Abgeordnete Molteni. Statt abzuschrecken, heize sie die illegale Einwanderung an und beschenkt Mafia und Schlepper. Von einem "Taxi-Service für Migranten" spricht auch Berlusconis Rechtspartei und seine Zeitung "Il Giornale" rechnet vor, dass "Mare Nostrum" Italien 300.000 Euro pro Tag koste, während italienische Familien verarmten.

"Tritt zurück, Migranten-Minister!" attackierte die Lega Nord unlängst im Parlament Innenminister Alfano. Nicht gerade als großer Verteidiger der Einwanderer berühmt, platzt Alfano der Kragen: "Italien ist eine große Demokratie, die verpflichtet ist, Sicherheit und Aufnahme zu gewährleisten und ihre internationalen Abkommen einhält! Merkt Euch: Um ein paar hundert tausend Stimmen mehr werden wir nicht die Menschen im Meer ertrinken lassen!"

Italien will Änderung der Dublin-Regel

Premierminister Renzi hat trotzdem eine Überprüfung der Mission "Mare Nostrum" angekündigt. Die EU wälze die Kosten ab, Italien trage sie ganz allein, behauptet die Verteidigungsministerin. Rom will das Thema während der bevorstehenden italienischen EU-Präsidentschaft ins Zentrum rücken und verlangt vor allem eine Revision der Dublin-Regelung. Diese verpflichtet zum Asylantrag im Erstankunftsland. Aber die meisten Ankömmlinge, so argumentiert Italien, wollen gar nicht hier bleiben, sondern wollen weiter nach Norden, nach Deutschland, Frankreich, Skandinavien.