Auch Türken kritisieren Erdogan-Besuch

Nach Deutschland besucht der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am kommenden Donnerstag auch Österreich. Bei Erdogans Besuch in Köln sind neben seinen Anhängern auch zehntausende Gegner auf die Straße gegangen. Auch Mitglieder der türkischen Community in Österreich kritisieren, dass Erdogan vor der türkischen Präsidentenwahl auf Stimmenfang nach Österreich kommt.

Morgenjournal, 14.6.2014

"Wir stehen unter Druck"

Erdogan kommt und das spaltet die türkische Community in Österreich. Birol Kilic spricht von einem vergifteten Klima. Kilic ist Obmann des Vereins türkische Kulturgemeinde in Österreich, der mehr als 1.700 Mitglieder zählt. Viele von ihnen hätten Erdogans bevorstehenden Besuch öffentlich kritisiert und seien daraufhin eingeschüchtert und beleidigt worden, etwa im sozialen Netzwerk Facebook.

Eingeladen wurde Erdogan vom Verein Union Europäisch türkischer Demokraten (UETD), der auch eine Niederlassung in Österreich hat und zehnjähriges Jubiläum feiert. Die UETD wird von Kritikern als Vorfeldorganisation von Erdogans "Partei für Gerechtigkeit und Fortschritt AKP" bezeichnet. Die UETD sei schlicht der verlängerte Arm der AKP in Österreich, sagt Kilic und meint, das seien keine Demokraten, denn dann müssten sie andere Meinungen wie eben die seine respektieren. "Aber nein, die machen das nicht so. Wir stehen hier unter Druck, bitte."

Kritik an Österreichs Politik

In der Tageszeitung "Die Presse" hat der Präsident der UETD-Zentrale in Köln einen Vergleich gezogen. Die Beziehung zwischen Erdogans AKP und der UETD gleiche der Beziehung zwischen der CDU und der Konrad-Adenauer-Stiftung. Für Birol Kilic ist dieser Vergleich "absurd". Kilic: "Kein Konrad-Adenauer-Mitglied in der Türkei würde Menschen beleidigen, beschimpfen oder so eine Lobby machen für Merkel in der Türkei, wenn man Merkel kritisiert."

Dass Vereine, die den politisierten Islam vertreten, in Österreich salonfähig geworden sind, sei auch die Schuld der österreichischen Politik, kritisiert Kilic. Erdogan werde seinen Besuch sicher für eine Wahlkampfveranstaltung nutzen. Auch wenn die rund 110.000 türkischen Staatsbürger, die in Österreich leben, wenige sind im Vergleich zu den 1,4 Millionen Türken in Deutschland: "Jedes Prozent aus dem Ausland ist für Erdogan sehr wichtig". Außerdem wolle er zeigen, dass er Europa als Hinterland benützen kann, "und das finde ich wirklich nicht in Ordnung." Falls wie in Deutschland auch in Österreich zu Protesten kommt, hofft Kilic, dass sie friedlich verlaufen.