Erdogan kämpft um jede Stimme

Obwohl Recep Tayyip Erdogan seit vielen Jahren der dominierende Politiker der Türkei ist, kämpft er für die Präsidentenwahl im August um jede Stimme. Er will schon im ersten Wahldurchgang mehr als 50 Prozent der Stimmen erobern. Deshalb sind auch die Auslandsauftritte für Erdogan und seine AKP sehr wichtig.

Mittagsjournal, 18.6.2014

Tradition des politischen Ziehvaters

Die Tradition, aus der Erdogan hervorgegangen ist, ist jene seines politischen Ziehvaters Erbakan. Der hat schon vor Jahrzehnten genau diese Linie betrieben: den Türken im Ausland mit einer Mischung aus Nationalismus und religiösem Pathos einzureden, dass sie sich von den bösen Einflüsterungen des Westens fernhalten sollen. Das alles hat weniger Rolle gespielt, als die Türkei auf dem Weg noch in die EU schien.

Doch Gül statt Erdogan?

In der Türkei selbst hat der Wahlkampf absurderweise noch gar nicht begonnen. Denn Erdogan hat noch gar nicht festgelegt, dass er selbst er Kandidat sein wird. Taktische Überlegung im Hintergrund: Die Oppositionsparteien haben sich auf einen gemeinsamen gemäßigten Kandidaten geeinigt, und der könnte im ersten Wahlgang doch so viele Stimmen bekommen, das es einen zweiten Wahlgang gibt. Für die AKP wäre das deshalb ein Problem, weil es dann ganz auf die Stimmen der Kurden ankommen würde. Und die könnten dann die Freilassung von PKK-Chef Öcalan aus dem Gefängnis als Bedingung verlangen. Daher gibt es noch Überlegungen in der AKP, ob tatsächlich Erdogan ins Rennen gehen soll oder doch vielleicht der jetzige Präsident Gül, der gemäßigte auftritt und eher im ersten Wahlganggewinnen kann.

Vom starken Mann zum Papiertiger

Außenpolitisch ist die Türkei dabei, immer mehr in Isolation zu geraten. Sie hat noch sie viele Gegner und so wenige Freunde gehabt wie jetzt. Im Irak ist die Zahl der türkischen Geiseln von 80 auf 95 gestiegen - ein großes Problem für die türkische Regierung. Jetzt hat man sogar eine Nachrichtensperre darüber verhängt, weil die türkische Regierung nicht weiß, wie sie damit umgehen soll. Denn Erdogan, der sich noch vor kurzem als der große starke Mann der Region präsentiert hat, steht jetzt ohnmächtig da und wirkt wie ein Papiertiger.