Frankreich: Sozialisten-Gipfel in Paris

Frankreichs Präsident Francois Hollande macht schwere Zeiten durch: Wahlniederlagen, verheerende Umfrage-Werte, seit zehn Tagen ein Streik der Eisenbahner. Da kann ein Auftritt als Staatsmann nicht schaden. Hollande hat acht europäische Regierungschefs nach Paris eingeladen, allesamt Sozialdemokraten. Es geht darum, ob sich die Sozialdemokraten auf den Konservativen Luxemburger Jean-Claude Juncker als Präsidenten der EU-Kommission festlegen sollen. Und um eine Lockerung des Sparzwangs in der EU.

Morgenjournal, 21.6.2014

Aus Paris

Neuausrichtung europäischer Politik

Auf den ersten Blick sieht es aus, als würde sich heute in Paris im Vorfeld des Brüsseler Gipfels - deutsch-französisches Paar hin oder her - eine Anti-Merkel-Front konstituieren. Zustande gekommen ist das Treffen angeblich auf Initiative von Bundeskanzler Faymann und des Chefs der deutschen Sozialdemokraten und Vizekanzler, Sigmar Gabriel.

Europäische Sozialdemokraten, die an der Regierung sind - darunter auch die Ministerpräsidenten aus Italien, Tschechien, der Slowakei oder Belgien – wollen heute eine Gesamtstrategie erarbeiten, die zum einen wohl die Unterstützung für Jean-Claude Juncker als künftigen Kommissionspräsidenten beinhalten wird, als Gegenleistung dafür aber auch die Forderung nach einer Neuausrichtung der europäischen Politik formulieren dürfte.

Valls hat Ton bereits vorgegeben

So eine Neuausrichtung dürfte in dem Sinne klingen: Europas Bürger müssen erfahren können, dass die Gemeinschaft für sie zu etwas gut ist – das erfordert für die europäischen Sozialdemokraten eine Politik für mehr Investitionen und Wachstum und eine gewisse Aufweichung der Stabilitätskriterien. In diesem Punkt gehen Frankreichs Präsident Hollande und Italiens Ministerpräsident Renzi Hand in Hand, halbherzig unterstützt von einem sozialdemokratischen Vizekanzler aus Deutschland, der zwischen mehreren Stühlen sitzt.

Frankreichs Regierungschef, Manuel Valls, jedenfalls hat gestern bereits den Ton vorgegeben: "Jeder muss aus dem Ergebnis der letzten EU-Wahlen Lehren ziehen und die Gefahr sehen. Europa muss sich auf Wachstum und Zukunftsinvestitionen konzentrieren. Beim Stabilitätspakt bedarf es größerer Flexibilität", so Valls. Wenn der deutsche Vizekanzler und der italienische Ministerpräsident das auch sagen, so sei das eine sehr gute Sache.

Martin Schulz als Parlamentspräsident?

"Der Fahrplan für die Kommission in den nächsten fünf Jahren muss klar sein, um in diese Richtung voranzukommen. Man muss das heute machen, um Wachstum und Arbeitsplätze zu privilegieren", meint Manuel Valls. Man müsse sich doch nur die Äußerungen der Währungsfondchefin Christine Lagarde anschauen, die sagt: "Achtung, unterlassen wir alles, was kein neues Wachstum ermöglicht."

Erwartet wird hier in Paris außerdem, dass die
Runde aus hochrangigen Sozialdemokraten sich für eine zweite Amtszeit von Martin Schulz als EU-Parlamentspräsident ausspricht, nachdem die deutschen Sozialdemokraten gestern das Ansinnen fallen gelassen haben, sich für Schulz als Vizepräsident der Kommission stark machen zu wollen.

Für den französischen Staatspräsidenten Hollande ist das heutige Treffen - nach den 25 Prozent für die Nationale Front bei der EU- Wahl - zumindest ein weiterer Versuch voranzubringen, was er seit zwei Jahren immer wieder vergeblich versucht hat: in der europäischen Politik dem Wachstum absolute Priorität einzuräumen, im Wissen, dass ein noch stärker geschwächtes Frankreich für die gesamte EU ein ernstes Problem darstellen würde.