Kiew setzt große Hoffnung in EU-Abkommen

Beim EU-Gipfel in Brüssel wird morgen auch das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine unterzeichnet. Der politische Teil des Abkommens wurde schon im März vom ukrainischen Premier Jatzenjuk unterfertigt, nun steht der abschließende Teil über die Wirtschaft an. Die Handelsbarrieren mit der EU fallen. Aber, so meint der Kiewer Politologe Olexij Haran, das Abkommen sei vor allem politisch immens bedeutend.

Mittagsjournal, 26.6.2014

Europäischer Weg

Es war ein langer und mit Abweichungen und Verzögerungen gespickter Weg, den die Ukraine zurücklegen musste, bis zur morgigen Unterzeichnung dieses Assoziierungsabkommens. Eigentlich sollte das Assoziierungsabkommen schon seit vergangenen Winter unter Dach und Fach sein, doch der damalige ukrainische Präsident Janukowitsch lehnte auf Druck Russlands hin die Unterzeichnung in letzter Minute ab. Das war der Auslöser für die Massen-Protestbewegung auf dem Maidan in Kiew, die letztlich zu einem Machtwechsel in der Ukraine führte. Der neue ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat klar gemacht, dass unter seiner Führung die Ukraine den europäischen Weg einschlägt.

Hoffnung auf "Innovation und Freiheit"

Für Olexij Haran, Politologe an der Kiewer Universität, hat dieses Abkommen einen hohen symbolischen Wert. Monatelang haben die Ukrainer unter der EU-Fahne für den europäischen Weg ihres Landes demonstriert und gekämpft, und nun werde das in Brüssel besiegelt: "Dieses Abkommen bedeutet für uns eine grundsätzliche Richtungsentscheidung, nämlich, dass wir nach Europa zurückkehren und unser Land nach europäischen Prinzipien und Werten aufbauen. Der wirtschaftliche Aspekt ist sicherlich wichtig, aber der politische weit mehr. Da geht es um Rechtssicherheit für die Menschen, um Kampf gegen Korruption. Und das finden wir in Europa und sicherlich nicht in einer mystisch gearteten Eurasischen Union." Das wäre ja das Gegenmodell gewesen, das Russland forciert hatte: nämlich die Ukraine als Part eines östlichen Wirtschaftsbündnisses. Das hätte für Stillstand bedeutet, sagt Olexij Haran, die Ukraine brauche Innovation und Freiheit, um sich entwickeln zu können und das liege eben in Europa.

Verständnis für nötige Reformen

Der wirtschaftliche Teil des Assoziierungsabkommen mit der EU sieht die beidseitige Aufhebung der Zölle vor, eine langsame Öffnung des ukrainischen Marktes, damit einhergehend einen Zehnjahresplan zur Modernisierung der ukrainischen Wirtschaft, um sie wettbewerbsfähig zu machen. Diese Umstrukturierung wird nicht einfach sein und sicherlich auch einiges an Opfer fordern. Haben sich die Menschen in der Ukraine da nicht ein zu rosiges Bild von der Europäischen Union gemalt? Und wird es da vielleicht nicht ein böses Erwachen geben? Olexij Haran: "Die Menschen, die auf dem Euro-Maidan waren, das sind nicht einfach Romantiker, sondern Pragmatiker. Wir glauben nicht mehr an den guten Führer, der alles für uns macht, so wie 2004 bei der Orangen Revolution alle an Präsident Juschtschenko glaubten, der es für uns richten wird. Die Menschen sind pragmatischer geworden, wir verstehen, dass vor uns große Arbeit steht. Es wird auch Enttäuschungen geben. Aber die meisten verstehen, dass die Reformen schwierig sein werden. Da kommt es vielleicht auch zu Rückschlägen, aber unsere Richtung wird das nicht ändern."

Russischem Druck nicht nachgeben

Auch andere Länder, die später dann EU-Mitglieder wurden, wie Polen und die Slowakei, hätten zunächst bei den wirtschaftlichen Reformen große Schwierigkeiten gehabt, fügt der Kiewer Politologe hinzu. Es würden nicht die EU und die Anforderungen des westlichen Marktes sein, die die Ukraine wirtschaftlich belasten, sondern Russland: "Die Preise steigen jetzt bei uns vor dem Abkommen, aber nicht wegen Drucks des europäischen Marktes, sondern wegen Russland, das uns das Gas abdreht, das Gas als politische Waffe verwendet. Doch ich frage Sie, hätten wir wegen kurzfristiger wirtschaftlicher Vorteile Russland nachgeben sollen?" Oder, so Olexij Haran, den Weg einschlagen, den die meisten europäischen Staaten schon gegangen sind.