555 Begriffe aus dem echten Österreich
Märzveigerl und Suppenbrunzer
In den vergangenen Jahren ist ein gewisser Hang zum Volkstümlichen zu beobachten. Doch worauf beziehen sich diese vermeintlichen Traditionen überhaupt? Und ist nur das echt und heimatlich, was mindestens 100 Jahre alt ist? Die Volkskundlerin und Philosophin Elsbeth Wallnöfer sieht das kritisch, aber auch mit Humor.
8. April 2017, 21:58
Blick für das Andere
Mit "Volksmusik der Gegenwart" vom Duo Ramsch und Rosen und einem Quiz, in dem österreichische Ausdrücke wie "Äutl" oder "Zacherlin" abgefragt wurden, wurde das neue Buch von Elsbeth Wallnöfer präsentiert. Das passte gut, denn ungewöhnlich ist auch Wallnöfers Zugang zur österreichischen Identität, die zu einem hohen Anteil auf dem beruhe, was man Volkskultur nennt, wie sie in der Einleitung schreibt.
Wie ist sie als in Wien lebende Südtirolerin auf die Idee für dieses Buch gekommen? In Südtirol sei sie damit aufgewachsen, ständig zwischen dem Deutschen und dem Italienischen zu wechseln, und habe damit einen geschärften Blick für das Andere, sagt Elsbeth Wallnöfer. Dann sei sie zum Studieren nach Österreich gekommen und habe festgestellt: Das ist nicht die Urheimat von Südtirol, sondern ein exotisches Land, das immer bunter wird.
Woher kommt "ciao"?
Um mit der falschen Vorstellung aufzuräumen, dass das Wienerische für ganz Österreich stehe, hat Elsbeth Wallnöfer ganz bewusst Begriffe, Bräuche und Geschichten aus ganz Österreich in ihr Buch "Märzveigerl und Suppenbrunzer" aufgenommen.
Diese Begriffe und Besonderheiten sind im Buch nach Kategorien sortiert. Dazu zählen Bräuche und Gebräuche, Tracht und Mode, Häuser und Landschaften oder Essen und Trinken. Unter "Topoi, Kuriosa, Exotisches" kommt zum Beispiel die Alm vor, aber auch das Betthupfal, der Bratwürstelsonntag in Oberösterreich oder der Ursprung von "Ciao":
Zitat
Das war bis Anfang der 1920er Jahre in Wien ein Gruß unter Offizieren. Diese brachten das "schiavo", das Sklave bedeutet oder salopper auf Wienerisch formuliert "gschamster Diener" meint, von ihrem Militärdienst aus dem Venezianischen mit. Nach dem Verlust der italienischen Gebiete nach 1918 geriet der Gruß in Vergessenheit. Inzwischen hat sich das "Ciao" mitsamt der Kaffee- und Pizzakultur epidemisch über ganz Europa verteilt.
Uraltes und Neues
Unter den Bräuchen aus ganz Österreich findet man Uraltes wie den Imster Schemenlauf, Neueres wie das Donauinselfest, und auch vieles, was wie eine alte Tradition wirkt, aber erst seit ein paar Jahren existiert, wie zum Beispiel die Rosswallfahrt in Niederösterreich.
Elsbeth Wallnöfer hat auch neue Begriffe aus Alltag und Literatur aufgenommen, wie die "Schbeibsaggal", die der Wiener Künstler Rudi Hübl aus Plakaten mit Motiven von Klimt und Schiele bastelt, um den inflationären Umgang mit ihnen zu betonen. Oder den Ausdruck "Plottegs" für die in Plastik verpackten Siloballen, den der Architekt und Schriftsteller Friedrich Achleitner geprägt hat. Elsbeth Wallnöfer hat für ihr Buch ausführlich recherchiert und ermöglicht auch den Einheimischen einen neuen, humorvollen Blick auf das "echte" Österreich.
Zitat
Achterl. Das Achterl ist ein Gläschen Wein vom Volumen 0,125 Liter (in Bayern ist ein Achterl 0,133 Liter). Das Achterl ist nicht bloß irgendein Hohlmaß, es ist Ausdruck gepflegter Trinkkultur. Beispielsweise gibt es das Stehachterl. Dieses trinkt man an der Schank im Stehen. Nach einem oder mehreren Achterln oder Stehachterln avisiert man das Fluchtachterl. Es ist das ausgesprochen letzte Achterl vor dem Nachhause-gehen. Es kann schon einmal vorkommen, dass aus dem einen Fluchtachterl mehrere werden.
Service
Elsbeth Wallnöfer, "Märzveigerl und Suppenbrunzer. 555 Begriffe aus dem echten Österreich. Wegweiser in Sachen Heimat", Verlag Anton Pustet
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