Juncker wirbt vor Präsidentenwahl

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben den Luxemburger Christdemokraten Jean-Claude Juncker als nächsten Präsidenten der EU-Kommission nominiert. Nächste Woche soll er vom EU-Parlament bestätigt werden. Bei den Parlamentsfraktionen wirbt Juncker derzeit um Unterstützung. Auch wenn die Wahl wahrscheinlich ist, kleine Unsicherheiten bleiben, heißt es im Europaparlament.

Mittagsjournal, 10.7.2014

Versprechen an alle

Sieben EU-Parlamentsfraktionen in zwei Tagen hat der wahrscheinliche nächste EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker besucht. Und er hatte für fast alle etwas im Gepäck. Christdemokraten und Liberalen verspricht er, sich für mehr wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit stark zu machen, den Sozialdemokraten stellt er den nächsten Wirtschaftskommissar in Aussicht, den Grünen mehr Frauen im Kommissarsteam. Warum habe ich kandidiert? Nicht weil ich mit allem einverstanden bin, was in Europa geschieht, sondern um die Dinge zu ändern, die geändert gehören.

Die Stimmen von 376 der 751 Europaabgeordneten braucht Juncker nächsten Dienstag. Ganz zufrieden zeigen sich bisher aber nur seine christdemokratischen Parteifreunde. Fraktionschef Manfred Weber: Jean-Claude Juncker hat klar gemacht, dass die Kommission unter ihm ein klare Reformagende verfolgen wird. Er hat unsere volle Unterstützung.

Die größte Parlamentsfraktion, aber für die Kür zu wenig. Nach dem Sieg bei der Europawahl hatten die großen Fraktionen Juncker den Rücken gestärkt. Ein Signal an die Staats- und Regierungschefs, unter denen es bis zuletzt Widerstand dagegen gab, dass der Sieger der Europawahl automatisch Präsident der nächsten EU-Kommission werden sollte.

Begehrlichkeiten am Tisch

Liberale und Sozialdemokraten wollen nach dem Besuch Junckers in ihren Fraktionen jetzt aber noch einige inhaltliche Dinge geklärt haben. Die Grünen fanden ihn zu vage. Junckers positive Einstellung zu einem künftigen Freihandelsabkommen mit den USA stößt vielen bei ihnen auf.

Bis Montag Abend wollen sich die Fraktionen für die Entscheidung Zeit nehmen. Gianni Pitella, Fraktionschef der Sozialisten und Sozialdemokraten, die für die Mehrheit entscheidend sind, sieht Junckers Bilanz noch zwiespältig.


Dass er bereit ist, einen sozialistischen Wirtschaftskommissar einzusetzen, ist sicher eine gute Nachricht. Wir brauchen vor allem bei den Finanzregeln ein Maximum an Flexibilität, um das Wachstum anzukurbeln. Es gibt aber auch Punkte, die nicht zufriedenstellend sind.

Vor allem Briten und Spanier melden bei den Roten Zweifel an. Die französischen Sozialisten machen sich Hoffnungen auf den Wirtschaftskommissar und pokern ebenfalls.

Probleme könnte Juncker auch bekommen, wenn er die angekündigte Frauenquote in der Kommission nicht erfüllt. Mindestens so viele wie bisher, also neun von 28, sollen es sein. Die acht Länder, die ihre künftigen Kommissare schon namhaft gemacht haben, präsentieren durchwegs Männer.

Dass Juncker durchfällt, ist aber unwahrscheinlich. Gerade erst haben die Europaparlamentarier seine Nominierung als Sieg über die Staats- und Regierungschefs gefeiert. Würde Juncker im Parlament scheitern, wäre es nicht nur für ihn eine Niederlage.