Kurden im Irak näher zur Unabhängigkeit?

Der Irak zerbricht, und dabei gibt es neben den sunnitischen ISIS-Truppen weitere Gewinner: die Kurden. Sie haben große Gebiete im Norden des Landes unter ihre Kontrolle gebracht und bereiten jetzt eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit vor. Ein unabhängiger Kurdischer Staat im Irak hat aber nur begrenzte Chancen, meint der Nahost-Experte Guido Steinberg von der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin.

Mittagsjournal, 11.7.2014

Nahost-Experte Guido Steinberg im Gespräch mit Markus Müller

Patt mit ISIS

Dass ein Referendum stattfindet, hält Steinberg durchaus für möglich. Mit derartigen Referenden erhöhe das kurdische Regime immer wieder den Druck auf Verhandlungspartner. Es sei nur die Frage, ob die Erklärung der Unabhängigkeit in einem, in fünf oder zehn Jahren anstehe. Denn der wichtigste Widerstand komme nicht von Bagdad, sondern von der Türkei und dem Iran. Auch die USA hätten deutlich gemacht, dass ein irakisches Kurdistan im irakischen Staatenverbund bleiben soll. Immerhin sei die Akzeptanz einer kurdischen Herrschaft in den Gebieten selbst aus Angst vor einem islamischen ISIS-Staat gestiegen. Sobald dieser Druck aber nachlässt, wäre mit massivem Widerstand vor allem in Kirkuk zu rechnen, so Steinberg. Militärisch seien die Peschmerga den ISIS-Truppen ebenbürtig - ein ideales Kräfteverhältnis für eine lang anhaltende Patt-Situation, meint der Experte. Eine kurdische Offensive gegen die ISIS erwartet er nicht.

Die Beziehungen zwischen kurdischer Regionalregierung und der Zentralregierung in Bagdad seien traditionell schlecht, jetzt aber besonders, weil die Zentrale die Zahlungen an die Autonomiebehörde eingestellt hat, so Steinberg. Er ist aber nicht sicher, dass das ein irreparabler Bruch ist.