Irak: Zwischen ISIS-Terror und Regierungs-Truppen

Die ISIS-Islamisten kontrollieren bereits der große Teile des Nordiraks. 2.400 Menschen sind bei den Kämpfen getötet worden, hunderte durch Folter und Mord. Die Zivilbevölkerung ist gefangen zwischen ISIS-Kämpfern und Regierungstruppen. Wer kann, der flieht, sagt Donatella Rovera von Amnesty International. Sie ist im Nordirak unterwegs, um die Menschenrechtslage zu erkunden.

Zelt mit irakischer Flagge

(c) APA/EPA/ALAA AL-SHEMAREE

Morgenjournal, 2.7.2014

Schon vorher kaum besser

Die Amnesty-International-Mitarbeiterin Donatella Rovera ist schon seit Wochen im Nordirak unterwegs. Die meisten Menschen hier haben keinen Strom, kein Wasser, keine Lebensmittel. Die Wirtschaft ist ohnehin zusammengebrochen - und damit auch die Chance, Geld zu verdienen. Zwar sind die ISIS-Kämpfer besonders brutal, aber auch vorher war die Lage nicht viel besser. Viele Menschen seien auch schon vorher Opfer von Folter und Willkür gewesen, sagt Rovera: "Zuerst waren es die irakischen Regierungstruppen, die hier gewütet haben, und jetzt haben sie die gleiche Situation oder noch schlimmer, nur sind die Täter von der ISIS."

Verfolgt, gefoltert, getötet

Wer kann, versucht zu fliehen - aus Angst vor den Kämpfen oder weil man einer Gruppe angehört, die von den Islamisten gejagt wird. Vor allem ehemalige Regierungsmitarbeiter, Bürgermeister oder Polizisten werden gesucht und exekutiert. "Aber auch Minderheiten wie Christen haben das Gefühl, in Gefahr zu sein, auch wenn sie von ISIS noch nicht gezielt verfolgt werden. Aber sie wissen, dass sie, wenn sich die Islamisten hier festsetzen können, auf längere Sicht keine Chance haben, ein normales Leben zu führen." Anders sieht es mit den Schiiten aus: Die gelten als Kollaborateure, werde verfolgt, gefoltert und getötet - wo auch immer sie von den Rebellen angetroffen werden.

Menschen ohne Hoffnung

Donatella Rovera hat miterlebt, wie sich Städte mit 40.000 Einwohnern binnen weniger Stunden leeren: "Da hat man gerade einmal fünf Minuten. Sie packen ihre Kinder und laufen. Mitnehmen kann man gar nichts außer die Kleider, die man am Leib hat." An eine politische Lösung glaubt von den Menschen im Nordirak niemand: "Egal mit wem ich gesprochen habe: Die Menschen sind vollkommen desillusioniert. Sie haben nicht viel Hoffnung." Und so entvölkern sich ganze Landesteile, denn die Hoffnung auf eine gute Zukunft sehen viele nur mehr außerhalb des Iraks.