Bibelkommentar zu Matthäus 13, 24 – 43
Wer Ohren hat, der höre! 2000 Jahre sind eine lange Zeit für Menschen. So viel liegt zwischen Jesus und heute. Etwa 100 Generationen sind seither vergangen und haben die Welt in unseren Breiten umgestaltet.
8. April 2017, 21:58
Aus dem Sämann ist ein Agrarindustrieller geworden. Über den unbekannten Mann, der Unkraut ausstreut, regnen Spitzmittel nieder. Aus dem Warten auf die Erntezeit ist eine Jagd nach Output geworden. Über der Endzeithoffnung des Jesus triumphiert die Erwartung der Endlosigkeit. Aus dem messianischen Mann von Nazareth wurde Gott und aus seiner einfachen Lehre eine Angelegenheit, über die sich viele Spezialisten die Köpfe zerbrechen.
Die vergangenen 2000 Jahre haben die Lebenswelt so gründlich umgebaut, dass Texte wie dieser heutige fast zeitlos geworden sind. Sie fallen aus der Zeit hinaus, sie gehören nicht mehr in die Gegenwart, diese Gleichnisse, die galiläische Bauern gut verstanden und heute der Nachklang einer längst verschwundenen Epoche sind.
Wer Ohren hat, der höre! Eine strenge Mahnung ist das, die der Messias ausspricht. Matthäus schreibt seinen Text etwa 50 Jahre nach den Ereignissen um Jesus nieder. Damals nahm wohl bereits die messianische Grundstimmung ab, das Zeitenende schob sich hinaus, der Messias selbst wurde fragwürdig.
Hier nun, so scheint mir, liegt das eigentliche Problem neben all den Umgestaltungen der letzten 2000 Jahre. Denn die messianische Endzeit steht seit 2000 Jahren aus und mit ihr das Reich Gottes. 2000 Jahre - eben nicht nur der kulturellen Entwicklungen, der rechtlichen Verbesserungen, der technischen Erleichterungen, sondern auch 2000 Jahre Gewalt, 2000 Jahre Armut, 2000 Jahre Sterben und Tod.
2000 Jahre Endzeit? Nein. 2000 Jahre Endzeit sind sinnlos, 2000 Jahre Endzeit kann niemand leben. Das unterscheidet die Gegenwart von Jesus so grundlegend wie kein anderer Unterschied sonst.
Diese Gleichnisse sind fremd geworden, nicht nur, weil es den Kleinbauern kaum noch gibt, der mit der Hand den Samen ausstreut, sondern vielmehr deshalb, weil sie von der Endzeit sprechen, die entschwunden ist. Und mit ihr ist auch Gott so fern geworden. In den Gleichnissen hört man im Echo längst vergangener Tage auch das ferne Echo eines Gottes, auf den man eben nicht mehr bei der bäuerlichen Arbeit trifft, sondern irgendwo vielleicht in den endlosen Weiten des Universums oder hinter ihnen - wer weiß das schon.
Aber möglicherweise ist gerade das der Pfad zu Gott heute, von dem Jesus gekündet hat - zu Gott, der trotz allem plötzlich nahe wird, ungeplant, überraschend; der irgendwie hereinbricht in den Alltag und einen Menschen plötzlich stellt, jetzt, hier, im Alltag der Arbeit, im Alltag der Worte. Darum also: Wer Ohren hat, der höre!