Frankreich: Auseinandersetzung Muslime-Juden

In Frankreich geht dieser Tage die Angst um, dass der Nahost-Konflikt nach Frankreich überschwappen könnte, in ein Land, das mit rund 500.000 Mitgliedern die größte jüdische Gemeinde in Europa hat, und in dem rund 5 Millionen Muslime leben. Seit einer Woche kommt es in den Großtädten fast täglich zu Solidaritätsdemonstrationen mit dem palästinensischen Volk. Demonstrationen, die nicht immer friedlich verlaufen, und besonders in Paris die jüdische Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt haben. In der Folge ist eine für heute Nachmittag angemeldete Pro-Palästina-Demonstration vom Pariser Polizeipräfekt verboten worden.

Mittagsjournal, 19.07.2014

Antisemitische Ausschreitungen

Es war am Ende einer bis dahin friedlichen Demonstration gegen Israels Militäraktionen im Gaza-Streifen letzten Sonntag, als rund 100 gewalttätige Demonstranten aus den Pariser Vorstädten zu einer nahe liegenden Synangoge vordrangen, wo die versammelte Gemeinde nur durch verschlossene Eisengitter geschützt werden konnte. Ausschreitungen, bei denen auch Rufe wie "Tod den Juden" und "Juden raus" zu hören waren. Vertreter jüdischer Institutionen sehen darin ein Beispiel des neuen Antisemitismus, der in radikal-islamistischen Kreisen französischer Vorstädte gedeiht. Die Juden, so Frankreichs neuer Grossrabiner, seien heute Zielscheiben eines tiefen Hasses in einem kleinen Teil der französischen Bevölkerung. Der Präsident des Dachverbands jüdischer Organisationen in Frankreich, Roger Cukierman, sagt: "Ich bin mehr als beunruhigt. Ich bin betroffen, denn so etwas hat man noch nie gesehen. Es ist das erste Mal, dass man Synagogen angreift. Hier ist der Antizionismus zum Antisemitismus geworden. Man hat zwei Synagogen angegriffen. In einer mussten 200 Menschen, die dort zum Gebet gekommen waren, zwei Stunden lang verharren. Das ist ein Klima, wie man es noch nie erlebt hat."

Hollande: Konflikt darf nicht importiert werden

Frankreichs Regierung verurteilte diese Ausschreitungen auf schärfste, sprach von einem Angriff auf den republikanischen Pakt und selbst Präsident Hollande meldete sich persönlich zu Wort: "Der israelisch-palästinensische Konflikt darf nicht importiert werden. Es gibt die Demonstrationsfreiheit, aber es darf keine Entgleisungen geben oder sogar Versuche, Gotteshäuser zu stürmen."

Boniface: Konflikt längst importiert

Der Politologe Pascal Boniface, Autor eines Buchs mit dem Titel "Frankreich krankt am Nahostkonflikt" hält dem entgegen: "Das Problem ist nicht, dass dieser Konflikt nach Frankreich importiert wird – das ist de facto schon längst der Fall. Leute, die ihre Solidarität mit Israel zum Ausdruck bringen, andere, die Palästina unterstützen, das haben wir schon lange. Es ist der internationale Konflikt, der die stärksten sozialen und politischen Auswirkungen in Frankreich hat. Es ist ein Konflikt, bei dem sich Familien zerstreiten können, Freunde nicht mehr miteinander reden, es heftigste Auseinandersetzungen und manchmal eben auch Gewaltakte gibt."

Pro-Palästina-Demonstration verboten

Mehrere Zeugen hatten davon gesprochen, dass die Ausschreitungen durch Provokationen einer in Israel und den USA verbotenen rechtsradikalen jüdischen Organisation, der so genannten "Jüdischen Verteidigungsliga" ausgelöst worden seien. Diese und andere jüdische Gruppen hatten sich seitdem die gesamte Woche über in den sozialen Netzwerken mit radikal-islamistischen Zirkeln gegenseitig heftigst provoziert – mit ein Grund, dass die Polizeipräfektur zu der höchst außergewöhnlichen Maßnahme gegriffen hat, eine Pro-Palästina-Demonstration heute Nachmittag zu verbieten.

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