Opernfestspiele Savonlinna
Sommerzeit ist Festspielzeit. An Bayreuth oder Salzburg kommt kein Kulturmagazin vorbei. Immer noch fast ein Geheimtipp sind dagegen die zahlreichen Musikfestspiele in Finnland, darunter die größten skandinavischen Festspiele überhaupt: das Opernfestival in der ostfinnischen Kleinstadt Savonlinna.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 24.07.2014
Ein bunt gemischtes Publikum strömt abends am Seeufer entlang. Manche mit festem Schuhwerk und Decken, andere in Anzug und Abendkleid. Dazwischen hasten die Musiker mit Geige oder Hornfutteral zur Wasserburg Olavinlinna. Hoch ragen die drei Türme in den blassblauen Sommerhimmel. Noch zwei Brücken, und dann durch dunkle Gänge hinauf in den Burghof.
In den drei Anfangsakkorden der "Zauberflöte" steckt die ganze Spannung, was nun passieren wird, sagt Okku Kamu wenige Minuten vor der Vorstellung von Mozarts "Zauberflöte" in dem fensterlosen Verlies, das als Dirigentenzimmer dient. Die magische Drei steckt in den beweglichen Kulissenversatzstücken: drei Bäume, drei Felstürme. Während der Ouvertüre leuchtet das Porträt des einstigen Festpielleiters Martti Talvela auf der Burgwand: genau vor 25 Jahren war sein Todestag. Talvela hatte 1973 die erste "Zauberflöte" in der Burg dem deutschen Regisseur August Everding anvertraut und selbst den Sarastro gesungen. Seitdem gehört diese Produktion in finnischer Sprache zum Repertoire.
Mit der "Köngin der Nacht" hat ihre Karriere begonnen, sie gewann damit den vorjährigen Mustakallio-Gesangswettbewerb des Savonlinna Festivals: Die 26-jährige Sopranistin Tuuli Takala steht nach ihrem bejubelten Auftritt in voller Montur im Empfangssaal der Burg - glutvolle Augen unter Glitzerwimpern, die Silberkrone noch im schwarzen Haar. Sie liebt die Rolle der Königin, denn sie sei so ganz anders als die meisten sanften Sopranfiguren. Die Königin ist richtig böse und egoistisch, und es hat Tuuli Takala Spaß gemacht, ihre eigene dunkle Seite zu entdecken. Und dann auf der Bühne zu überzeugen.
Festival mit nationalem Profil
Tuuli Takala wurde von Jorma Silvasti nach Savonlinna verpflichtet. Im Café Sarastro am Saimaa-See stopft der neue Festspielleiter seine Pfeife. Einst war er der Lieblings-Tamino der Festspiele. "Damals fuhr ich immer mit dem Boot zur Burg", erzählt Silvasti. "Hinter der Burg gibt's diesen Steg. Vorstellung gesungen, wieder ins Boot, Freunde mitgenommen in die Saimaa-See-Inselwelt durchgerast."
Seitdem sind über 20 Jahre vergangen. Savonlinna ist ein Festival von Weltrang geworden, und diesen Standard möchte Silvasti bewahren. Aber wieder mit deutlich nationalem Profil: "Finnische Künstler, finnische Dirigenten, finnische Regisseure. Das heißt allerdings nicht, dass wir nicht mit Gästen vom Ausland arbeiten. Aber zuerst schauen wir uns um, wen wir so im eigenen Haus haben. Die Leute suchen heutzutage ein Gesamterlebnis, und da stehen wir in Savonlinna ziemlich gut da. Wir können anbieten diese schöne Seenatur, schöne Vorstellungen, schöne Umgebung mit Burg Olavinlinna."
Premiere einer finnischen Sage
Neben Dauerbrennern wie "Carmen", "Madame Butterfly" oder der "Zauberflöte" boten die Festspiele in diesem Jahr auch erstmalig die Oper "Kullervo" von Aulis Sallinen. "Ich habe die Geschichte von Kullervo ganz frei behandelt", sagt Sallinen. Das düstere Schicksal des Titelhelden hat Sallinen dem finnischen Nationalepos "Kalevala" entnommen: ein Mann wird zum mehrfachen Mörder und zum Liebhaber der eigenen Schwester.
"Das Stück fängt an mit Kalevala-Texten. Und das gibt dem Libretto eine sehr archaische Färbung. Ich habe vieles verändert. Wir Künstler, wir sind Räuber", meint Sallinen.
Souverän steuert Dirigent Hannu Lintu mit ausgreifenden Gesten die Massenszenen auf der Bühne. In diesem Stück geht es um unsere Gegenwart, und ich denke dabei an das, was in der Welt passiert, sagt Dirigent Hannu Lintu: "in Gaza, in der Ukraine, oder auch in Finnland mit den Amokläufen in den Schulen. Ich bin froh, dass es eine so komplexe Partitur ist, sonst würde ich beim Dirigieren zu tief emotional einsteigen." Und seltsam - nach all dem Gemetzel und Unglück schließt Aulis Sallinen mit einem sinnlich-süßen Durakkord.
Der kommende Festspielsommer wird eingeleitet von einem Gastspiel der Wiener Volksoper. Zum ersten Mal wird eine Operette in der Burg gespielt.