Bibelkommentar zu 2. Mose 16, 2 - 3. 11 - 18
Das nennt man Katzenjammer! Mit so viel Begeisterung waren sie ausgezogen, hatten sich heroisch befreit aus den Fesseln der ägyptischen Sklaverei und voller großer Visionen auf den Weg ins gelobte Land gemacht...
8. April 2017, 21:58
Doch jetzt irren sie schon seit Jahren ziellos durch die Wüste und kommen nicht und nicht weiter. Zuerst noch zaghaft (hinter vorgehaltener Hand), bald aber schon ziemlich ungeniert stellen sich die Menschen abends vorm Zelt bei ihrem kargen Nachtmahl die Frage: „Und was hat das Ganze gebracht? Gehts uns jetzt vielleicht besser als früher? Inzwischen haben wir zwar die Freiheit, aber runterschneiden können wir uns davon nichts. Im Gegenteil: Zu Mittag knurrt uns schon der Magen und am Abend müssen wir hungrig schlafen gehen. Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr – was ist das für eine Perspektive? Früher waren wir zwar Sklaven, aber wenigstens hatten wir ein festes Dach überm Kopf und immer genug zu essen – immerhin etwas!“
Eine Geschichte, die sich so (oder so ähnlich) seither oft und oft wiederholt hat. Ich muss z.B. an einige Länder des ehemaligen Ostblocks denken: Wie groß war die Euphorie damals (vor 25 Jahren) nach dem Fall der Berliner Mauer und den vielen, vielen zerschnittenen Stacheldrähten entlang des Eisernen Vorhangs. Ja, inzwischen haben die Menschen echte Freiheit und –zig Fernsehprogramme auf ihren Bildschirmen, dafür aber in manchen Regionen auch eine Jugendarbeitslosigkeit von 50% und mehr.
Ist das wirklich die Zukunft, von der sie geträumt hatten? Kein Wunder, dass sich da ebenfalls manche zurücksehnen nach einem Staat, der alles regelt und für alles sorgt, der Sicherheit gibt, selbst wenn er dabei vielleicht die Freiheit beschneidet.
Ich muss aber auch denken an die eine oder andere Situation im persönlichen Leben. Man wagt irgendwo einen Neuanfang, bricht aus aus alten Mustern, erkämpft sich mit großem Einsatz eine neue Freiheit und Selbständigkeit… Doch es dauert oft nicht lange, bis die Mühen der Ebene der anfänglichen Begeisterung einen ordentlichen Dämpfer verpassen. Ernüchtert fragt man sich: „Wars das wirklich wert? Hat sich der ganze Aufwand gelohnt?“ Und ärgert sich dann über sich selbst.
Bequemer ist es natürlich, wenn man einen Sündenbock hat, den man für die Misere verantwortlich machen kann. Die Israeliten damals in der Wüste hatten bald einen gefunden: Mose und Aaron, das Brüderpaar an der Spitze des wandernden Gottesvolkes, die Revolutionsführer seinerzeit bei ihrem Auszug aus Ägypten. Ihr habt uns das ganze Schlamassel hier doch eingebrockt! „Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des Herren Hand, als wir bei den Fleischtöpfen saßen und Brot in Fülle zu essen hatten! Aber ihr habt uns dazu herausgeführt in diese Wüste hier, dass ihr die ganze Gemeinde jetzt an Hunger sterben lasst!“
Doch nun geschieht etwas Eigenartiges: Gott selbst greift ein. Und der Herr sprach zu Mose, so lesen wir da: „Ich habe das Murren des Volkes gehört. Drum sage ihnen: Gegen Abend sollt ihr Fleisch zu essen haben und am Morgen von Brot satt werden – damit ihr innewerdet, dass ich der Herr, euer Gott bin!“ Und tatsächlich: Am Abend kam ein ganzer Wachtelschwarm und bedeckte das Lager. Und am Morgen lag Tau rings um das Lager – wie eine Art fester Reif.
Übrigens: Beim sogenannten „Manna“ handelt es sich um ein tropfenförmiges Gebilde an den Blättern der Tamariske, die in der Wüste beheimatet ist. Es entsteht durch den Stich einer Schildlaus und tropft dann auf den Boden. Durch die Kühle der Nacht wird es relativ hart, sodass man es auflesen kann.
Man muss es allerdings gleich in der Früh einsammeln, im gleißenden Sonnenlicht später schmilzt es bald wieder. Manna schmeckt ziemlich süß und wird auf der Halbinsel Sinai bis heute gerne gegessen. Bei uns bekommt man es manchmal in der Apotheke. Die Herleitung vom hebräischen „Man hu?“ („Was ist das?“) ist natürlich köstlich. Ja – und Wachteln gelten bekanntlich als besondere Delikatesse – bis heute, auch bei uns.
Mitten in der Wüste also erfahren die Israeliten plötzlich so etwas wie Überfluss. Und dazu noch das Wunder einer gerechten Verteilung. Man darf das durchaus symbolisch verstehen. Die überraschendsten und eindrucksvollsten Gotteserfahrungen machen wir Menschen tatsächlich meist auf den besonders dürren Wüstenstrecken unseres Lebens.
Die Wüste als Ort der Gotteserfahrung – das ist das Thema dieses Sonntags. Es lädt nachdrücklich dazu ein, von hier aus die Gedanken nun selbst weiter zu spinnen und sie mit eigenen Erfahrungen weiter anzureichern.
Dabei ist es schon eigenartig. Im Nachhinein staunt man oft über die wunderbaren Fügungen und Führungen Gottes im Leben. Aber wenn man dann bei anderer Gelegenheit vielleicht wieder einmal ein Stück durch die Wüste muss, dann scheint das alles wie weggeblasen und man fängt mit dem ganzen Zweifel wieder von vorne an.
Von den Israeliten wissen wir, dass sie nach ihrer Wüstenwanderung schließlich gut im gelobten Land angekommen sind. Aber wer nun meint, nach dieser intensiven Erfahrung der Stärkung durch Gott selbst wären sie hinfort voller Mut und Zuversicht weiter ihrem Ziel entgegen gezogen, der irrt. Einige Seiten später in der Bibel (im 4. Buch Mose) lesen wir neuerlich von einem großen Murren des ganzen Volkes gegen Mose.
Diesmal hört sich das dann so an: „In der Früh Manna. Und am nächsten Tag schon wieder Manna! Und am Abend wieder Wachteln... In Ägypten damals, da haben wir Fische gegessen! Und Melonen! Und wenn wir erst an die Zwiebeln und den Knoblauch denken… Ach wenn wir doch nur in Ägypten geblieben wären!“
Nur gut, dass Gottes Treue zu uns stabiler ist als im allgemeinen unsere Treue zu ihm!