Kompromiss um Wiener Wahlrechtsreform
Vier Jahre wurde darum gerungen, nun gibt es ein erstes Ergebnis: Die Reform des Wiener Wahlrechts soll nach dem Sommer beschlossen werden. Politisch ist die Reform brisant, geht es doch im Kern um die Frage, wie viele Prozente an Stimmen der SPÖ künftig genügen, um alleine regieren zu können.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 6.8.2014
Kompromiss nach langem Ringen
Mit einem auf den 4. Mai 2010 datierten Notariatsakt hat sich die damalige Opposition der Wiener Landesregierung – bestehend aus ÖVP, FPÖ und den Grünen – verpflichtet, eine Reform des Wiener Wahlrechts zu betreiben. Laut der notariellen Verpflichtungserklärung sollte das neue Wahlrecht gewährleisten, dass "die Anzahl der Mandate einer Fraktion im Wiener Gemeinderat möglichst genau ihrem prozentuellen Stimmenergebnis entspricht". Demnach sollten 50 Prozent an erreichten Stimmen 50 der insgesamt 100 Mandatssitze im Gemeinderat entsprechen.
So lautete der Plan der Wahlrechtsreform, zumindest bis zur letzten Wiener Wahl im September 2010, die zu einem Verlust der absoluten Mehrheit der SPÖ und einer Regierungsbeteiligung der Grünen führte. Seither ringen die Grünen, mittlerweile von der Regierungsbank aus, aber durch den Notariatsakt dennoch ihren Wählern verpflichtet, mit der Rathaus-SPÖ um eine Reform. Das nun vorliegende Ergebnis ist – wenig überraschend – eine Kompromisslösung.
47 Prozent sollen reichen
Demnach müssten die Sozialdemokraten künftig 47 Prozent der abgegebenen Stimmen erreichen, um über 50 der insgesamt 100 Mandate zu bekommen. Zur Zeit, so schätzen Experten, würden der SPÖ 44 oder 45 Prozent der Stimmen für eine absolute Mehrheit im Stadtparlament reichen.
SPÖ-Klubobmann Rudolf Schicker und gleichzeitiger Verhandlungsführer, meint zum Verhandlungsziel, die SPÖ wolle dem bestehenden Wahlrecht, "das eine gewisse mehrheitsfördernde Komponente hat", möglichst nahe bleiben. Das Regieren wäre schlicht einfacher, wenn große Parteien zusammenarbeiten oder gar alleine regieren können. Für David Ellensohn, Klubobmann und Chefverhandler auf Seiten der Grünen, ist nach zähen vierjährigen Verhandlungen klar, dass es das neue Wahlrecht so, wie es sich die Grünen wünschen würden, nicht geben wird. Dennoch werde das gegenwärtige Wahlrecht in seiner existierenden Form – selbst unter SPÖ – nicht bestehen bleiben.
Beschluss im Herbst
Das vorläufige Ergebnis der Reformbestrebungen des Wahlrechts ist noch inoffiziell und soll von Rot-Grün erst im September oder Oktober im Wiener Landtag beschlossen werden. Robert Schicker, roter Klubobmann, würde es begrüßen, schon während der ersten Landtagssitzung eine Einigung zu erzielen und die Gesetzesvorlage beschließen zu können. So könne laut Schicker niemand mehr daran zweifeln, dass es in Wien eine Adaptierung des Wahlrechts gibt. Auch David Ellensohn bekräftigt, dass die Wahlrechtsordnung noch heuer im Landtag behandelt werden würde, dies sei unvermeidbar.
Damit würde das neue Wahlrecht bereits im kommenden Jahr während der nächsten Wiener Wahl gelten, für die der regierenden SPÖ laut aktueller Umfragen maximal 40 Prozent vorausgesagt werden.