Anwälte fordern Ecclestone-Modell für Österreich
Die Entscheidung des Münchner Gerichts, Formel-1-Chef Bernie Ecclestone gegen eine Strafzahlung von 100 Millionen Dollar freizukaufen, hat viel Kritik und Unverständnis hervorgerufen. Zu Unrecht, sagen österreichische Anwälte.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 8.8.2014
Geld statt Moral
Die deutsche Regelung würde auch für Österreich Sinn machen, vor allem bei Wirtschaftsverfahren, sagt die österreichische Anwaltschaft. Mit der Diversion habe man auch hierzulande bereits ein ähnliches System, die allerdings nur bei kleinen Delikten angewendet werden würde.
In der Wiener Rechtsanwaltskanzlei PHH Prochaska Havranek kann man die Empörung über das Ecclestone Urteil nicht nachvollziehen. Denn in Deutschland sei die Einstellung von Verfahren gegen Strafzahlungen ohnehin Gang und Gäbe, vor allem in Bayern. Dort gebe es derart viele Freikäufe, dass in Juristenkreisen dafür der Begriff "Bayrischer Freispruch" entstanden ist, sagt Rechtsanwalt Mathias Preuschl. Die 100 Millionen Dollar Zahlung von Ecclestone sei auch bei weitem nicht die höchste Zahlung. Bei größeren Industrieskandalen der letzten Jahrzehnte sein in Bayern auch schon Bußgelder in der Höhe von 400 Millionen Dollar verhängt und gezahlt worden, so Preuschl.
Für die Staatskassen mache das durchaus Sinn, sagt Kanzleichef Stefan Prochaska, der etwa Telekom-Kronzeugen Gernot Schieszler zu Straffreiheit verholfen hat. Denn auch wenn Ecclestone verurteilt worden wäre, wäre es unwahrscheinlich gewesen, dass der Formel-1-Boss wegen seines Alters jemals in Haft gekommen wäre, meint Prochaska. "Die moralische Keule ist hier fehl am Platz", zudem sein aus Sicht der Steuerzahler "100 Millionen besser als ein haftunfähiger 85-Jähriger".
Diversion nicht nur für Beamte
Aus Sicht von Prochaska wäre etwa auch im Fall der Uralt-Affäre YLine eine Bußzahlung wesentlich sinnvoller gewesen als ein Prozess, der erst viele Jahre nach der Firmenpleite stattgefunden hat. Kritik, dass derartige Gesetze nur denen nützen, die es sich leisten können, will Prochaska nicht gelten lassen. Er sehe dabei keine Ungleichbehandlung, eine derartige Regelung würde für alle gleichermaßen gelten, wobei er festhält, dass "ein Eccelstone mehr zahlen muss als ein Tapeziermeister der 3.000 Euro im Monat verdient."
Daher sollte man das Thema in Österreich vorurteilsfrei diskutieren, sagt Prochaska. Denn mit der Diversion, mittels derer man durch Sozialleistungen oder Bußzahlungen einer Strafe entgehen kann, gibt es bereits ein entsprechendes Gesetz. Allerdings nur für kleinere Delikte. Das Gesetz müsse allerdings nur erweitert werden, denn bereits jetzt gebe es schon eine Ausnahme, sagt Anwalt Preuschl. Für das Delikt des Amtsmissbrauches gelte diese Schranke nämlich nicht, was der Jurist als "sehr symptomatisch für diesen Staat" beurteilt. Das heißt, dass Beamte hier besser gestellt sind. Sie können selbst bei schwerwiegenderen Amtsmissbrauch-Delikten mit einer Diversion aussteigen.