Ukrainische Abgeordnete: Dialog suchen

In der Ukraine galt die Partei der Regionen des gestürzten Präsidenten Janukowitsch stets als Vertreterin des russischsprachigen Teils der Bevölkerung. Der Sturz Janukowitschs im Februar hat allerdings zu Auflösungserscheinungen geführt, inzwischen ist bereits fraglich, ob es die Partei im Herbst noch geben wird. Trotzdem kämpfen einige Politiker um den Fortbestand der Partei der Regionen, wie Anna German, eine bekannte Abgeordnete der Partei der Regionen.

Mittagsjournal, 18.8.2014

Ziel Unabhängigkeit

Auch wenn die Partei der Regionen Russland stets nahegestanden ist, hätten die Ereignisse der letzten Monate Grundsätzliches verändert, sagt die Abgeordnete Anna German: "Russland fügt der Ukraine großes Unheil zu, großes Übel und eine enorme Kränkung, die wir nie vergessen können. Niemals wird die Ukraine das Blut vergessen, das vergossen wird. Und die Beziehungen zwischen den beiden Ländern werden nie mehr sein wie früher."

Auf lange Sicht habe die Partei der Regionen daher genau die gleichen Ziele wie jene Parteien, die jetzt die Regierung stellen: die vollkommene Unabhängigkeit der Ukraine von Russland , so German: "Auf jeden Fall, aber man muss diese Unabhängigkeit auf kluge Weise erreichen, nicht durch einen Krieg und Blutvergießen", sagt die Abgeordnete.

"Putin Hebel aus der Hand nehmen"

Die Abnabelung von Russland müsse sehr langsam erfolgen, aber konsequent. Die Ukraine habe das aber radikal gemacht und gesagt: aus, wir sind jetzt unabhängig. "Aber was dann? Dann ist natürlich genau das passiert, was wir jetzt erleben." Denn, so meint German, de facto sei die Ukraine weiter abhängig von Russland - wirtschaftlich etwa, oder bei der Energieversorgung: "Wir haben große Ambitionen, aber wir können wenig davon umsetzen. Die Ukraine ist wie ein kleines Kind, noch schwach und unselbständig. Aber aus irgendeinem Grund glauben wir, dass die Welt uns unterstützen muss. Wir wollen unabhängig sein, und ihr müsst uns jetzt Geld geben, Kredite, das seid ihr uns doch schuldig. Aber in Wirklichkeit ist natürlich niemand irgendwem etwas schuldig. Freiheit - das ist eben ein teures Vergnügen."

Als erstes, so Anna German, müsse die Ukraine daher das Fundament für ihre Unabhängigkeit bauen, indem sie die wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland überwindet: "Damit würden wir Putin die Hebel wegnehmen, mit denen er Einfluss auf die Ukraine ausübt", sagt German.

"Dialog mit Moskau suchen"

Das sind freilich langfristige Pläne - aber wie kann die Ukraine die jetzigen Probleme überwinden, wie den Krieg im Osten beenden? Geht die jetzige Staatsführung richtig vor, wenn sie - wie es ja scheint - rein auf einen militärischen Sieg setzt? German: "Die Ukraine braucht einen Sieg. Die Ukraine darf nicht einen Teil ihres Territoriums verlieren. Sie kann den Donbass nicht abtreten." Aber, so die Abgeordnete von der Partei der Regionen, die Ukraine müsse gleichzeitig auch alles tun, um Verhandlungen in Gang zu bringen. Doch - Verhandlungen mit wem - mit den pro-russischen Separatisten? German: "Nein, die können ja nichts entscheiden. Ich denke, Kiew muss den Dialog mit Moskau suchen. Dieser Dialog wird schwierig, erniedrigend. Aber das Leben tausender Menschen, der Soldaten, der Zivilbevölkerung im Donbass ist auch die tiefste Erniedrigung wert. Wenn man mir sagen würde, fahr nach Moskau und beuge dich vor Putin bis auf den Boden, damit er das stoppt, ich würde es tun - für den Frieden und für das Leben dieser Menschen."

Welchen Preis Putin verlangen wird, das weiß auch Anna German nicht. Er wird jedenfalls hoch sein, ist sie überzeugt. Aber so sei eben Realpolitik, meint die Abgeordnete, und in der derzeitigen Lage müsse die Ukraine auf Realpolitik setzen, statt unerfüllbaren Träumen nachzuhängen.