Vorwiegend junge Radikalisierungsopfer
Die zehn mutmaßlichen Jihadisten, die am Mittwoch in Österreich aufgegriffen worden sind, sind zwischen 17 und 32 Jahre alt. 19 Jahre alt ist ein Wiener, den Interpol seit kurzem per internationalem Haftbefehl sucht. Er soll der IS angehören und über soziale Netzwerke von Nordsyrien aus zur Teilnahme am "Heiligen Krieg" aufgerufen haben. Vor allem junge Menschen sind empfänglich für die Radikalisierung.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 22.8.2014
Radikalisierung als soziales Problem
Mehr als 100 Kämpfer aus Österreich sind schon in den Bürgerkrieg nach Syrien gezogen, heißt es beim Verfassungsschutz. Rund 60 sind aktuell in Syrien. Dass sich besonders junge Menschen in Europa radikalisieren, sei kein rein religiöses Problem, sagt der Islamwissenschaftler, Soziologe und islamische Religionspädagoge Mouhanad Khorchide, der einen liberalen Islam vertritt. Bei der Rekrutierung aus Europa handle es sich in erster Linie um ein soziales Problem: Es handle sich in erster Linie um "bildungsferne Schichten" bzw. Schulabbrecher, junge Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt nicht angekommen sind. Diese hätten Gefühle von Ohnmacht und Minderwertigkeit, und all das werde kompensiert mit einer Ideologie, in der sie Macht haben, auch über Leben und Tod. Die Religion diene den Terroristen dazu, diese Macht über Leben und Tod als "göttlich" zu legitimieren.
Appell an muslimische Gelehrte
Neun der zehn mutmaßlichen Dschihadisten, die am Mittwoch im Burgenland und in Kärnten aufgegriffen wurden, sind ursprünglich aus Tschetschenien nach Österreich geflüchtet. In Tschetschenien herrsche seit Jahren Krieg und militärische Unterdrückung, daher seien diese jungen Menschen besonders anfällig für Radikalisierung. Das gleiche gelte für traumatisierte Heimkehrer aus Kriegsgebieten aus Nahost oder Afghanistan, die Kriegserfahrung hätte, vor allem als Opfer. Es sei jedenfalls eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, junge Menschen besser einzubinden, um Radikalisierung zu verhindern.
Außerdem sollten muslimische Theologen und Gelehrte ihre Stimme laut erheben, und betonen, dass es nicht ein Anliegen des Islam sei, einen islamischen Staat zu errichten, sondern einen gerechten Staat, so Khorchide. Und der funktioniere nach ethischen Prinzipien wie Gerechtigkeit und Freiheit.