Wirtschaftsleistung wird neu berechnet
Das Brutto-Inlandsprodukt (BIP), die Summe der im Jahr produzierten Waren und Dienstleistungen, ist eine wichtige Maßzahl für die Wirtschaftsleistung eines Landes. Am BIP hängen alle volkswirtschaftlichen Kennzahlen. Ab September wird die Berechnung auf das neue Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung (ESVG) umgestellt.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 25.8.2014
Inklusive Drogenhandel und Prostitution
Die neuen Statistikregeln lassen Europa - auf dem Papier - einen Sprung nach vorne machen. Die Wirtschaftsleistung in der EU steigt um gleich zwei Prozent. Der Zuwachs ergibt sich aus einer anderen Gewichtung der Daten und einem Mehr an Faktoren. So fließen künftig in allen EU-Ländern die Erträge aus Drogenhandel, Schmuggel, Prostitution, Schwarzarbeit und Rüstungsgüter mit in die Berechnung ein. In Österreich sind diese Bereiche bereits seit Jahren fixer Bestandteil des BIPs. Künftig könne die Wirtschaftsleistung genauer verglichen werden, weil mehr Transparenz herrsche, sagt Konrad Pesendorfer, Leiter der Statistik Austria: Eurostat müsse nun darauf schauen, dass die Regeln überall gleich eingehalten werden. Dann sei ein wirklicher Vergleich möglich - eine wichtige Information für die Wirtschaftspolitik und die Gesellschaft insgesamt, so Pesendorfer.
Geschönte Statistik?
Die Erträge in der Schattenwirtschaft machen jedoch nur einen kleinen Teil des neuen BIPs aus. Für etwa drei Viertel der höheren Wirtschaftsleistung steht der Bereich Forschung und Entwicklung (F&E). Die Ausgaben dafür gelten als relevante Investition, so Pesendorfer: Durch F&E-Ausgaben werde das Produktionspotenzial von Unternehmen über mehrere Jahre gesteigert.
In Summe steigt das heimische BIP durch die Umstellung um gut zehn Milliarden Euro oder 3,5 Prozent. Konrad Pesendorfer wehrt sich gegen Vorwürfe, dass die Lage nun künstlich besser dargestellt werde als bisher. Die Berechnung berücksichtige etwa die Veränderungen durch die Digitalisierung. Statistiker hätten die Grundaufgabe, die Wirklichkeit so gut wie möglich abzubilden.
Schulden steigen
Zur Wirklichkeit gehören die öffentlichen Schulden. Auch sie steigen durch die neue Berechnungsmethode. Ausgelagerte Bereiche von Gemeinden, Ländern oder dem Bund, die sich nicht zumindest zur Hälfte aus eigener Kraft selbst erhalten können, fließen in die Rechnung ein. Dazu zählen etwa die ÖBB-Infrastruktur, die Bundesimmobiliengesellschaft, die ASFINAG, die Wiener Verkehrsbetriebe und die Krankenanstalten der Länder. Der Schuldenstand der Republik steigt damit um annähernd 20 Milliarden Euro, die Quote - ohne Hypo Alpe Adria - auf gut 77 Prozent. Mit der Umstellung werde die Beziehung zwischen Wirtschaft und Staat besser dargestellt, so Pesendorfer.
Vorteile bringt die einheitliche Berechnung der Wirtschaftsleistung nicht nur Statistikern. Die EU Kommission kann leichter nachvollziehen, welches Land die Defizit- und Schuldengrenzen einhält. Und noch einen Vorteil scheint Brüssel zu haben. Da die EU-Beitragszahlungen am BIP gemessen werden, sollte auch mehr Geld aus so manchen Mitgliedsstaaten kommen, Österreich inklusive.