Douglas Rushkoff über Gegenwart im digitalen Sog

Present Shock

"Wir wissen zwar nicht mehr, wo es lang geht, aber wir kommen viel schneller voran. Kann ja sein, dass wir mitten in einer existenziellen Krise stecken, aber wir sind viel zu beschäftigt, um es zu bemerken", so beschreibt der US-amerikanische Medientheoretiker Douglas Rushkoff unsere Gegenwart.

Wir haben den Augenblick verloren und befinden uns in einer Art Gegenwartsschock, in einem Jetzt-Schock, meint der Autor in seinem neuen Buch "Present Shock. Wenn alles jetzt passiert". Denn die Technologie, so Rushkoff, habe unser Gefühl für Zeit, Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft durcheinandergewirbelt.

Leben in ständiger Ablenkung

Wir sind digital überfordert - attestiert der amerikanische Medientheoretiker Douglas Rushkoff: Wir sind ständig online, leben nur noch in Echtzeit und erleben dank Echtzeittechnologien alles im Liveticker.

Auch das Buchcover strahlt Unruhe aus und zeigt einen Wassersog, in dem ein Schiff und ein kleiner Mensch, der sich hilflos an ein Fass klammert, herum gewirbelt werden. Vielleicht ein Sog, der uns in die unendlichen Weiten des digitalen Universums zieht. Denn Rushkoff äußert eine Sorge, die eher aus der Ecke von Kulturpessimisten kommt: Wir alle würden in einem Zustand ständiger Ablenkung leben, in dem wir das Wichtige nicht mehr vom Unwichtigen unterscheiden könnten.

Wie auf Veränderungen reagieren?

In fünf Kapiteln versucht der amerikanische Medientheoretiker alle Aspekte des Gegenwartschocks zu analysieren und Wege aufzuzeigen, wie wir auf die Veränderungen reagieren sollen, wenngleich wir doch gar keine Zeit haben, darüber nachzudenken.

Ein Kapitel widmet er der Geschichte: Der Geschichte als klassische Form des Erzählens, als Werkzeug unseres Denkens, als Moral- und Wertebibel. Und der Story in Form der "Heldenreise", die man laut Rushkoff zum Beispiel bei Ödipus oder Luke Skywalker findet. Und dann kam die Interaktivität, schreibt Rushkoff und meint: die Fernbedienung habe unser Verhältnis zum Fernsehen tiefgreifender verändert, als jede postmoderne Medienkritik. Denn damit könne man ja einfach wegschalten.

Das dekonstruierte Fernsehen

Die Fernseh-Serie "Die Simpsons" zieht Rushkoff als Beispiel heran: Die gelbe Simpons-Familie aus Springfield liefere zwar satirische selbstreferenzielle Unterhaltung für erzählungsmüden Zuschauer, aber eben nicht mit narrativen Mitteln.

Die Technik gibt Takt vor

Auch im nächsten Kapitel argumentiert Rushkoff weiter in Richtung Technikdeterminismus: Wenn selbst Google der Meinung ist, dass du an zu vielen Orten gleichzeitig bist, solltest du dir allmählich Sorgen machen, schreibt Rushkoff und meint: die Digitalität prägt unser Zeitempfinden.

Auch dem Thema "Überspanntheit" widmet sich der amerikanische Medientheoretiker in einem großen Teil des Buches und beschreibt den Stress, den uns unsere digitale Umgebung - Twitter, Facebook, Emails - bereitet. Denn jede unerledigte Aufgabe oder jede nicht beantwortete Nachricht bedeute Stress, so Rushkoff.

Als Ausweg aus der Jetzt-Falle empfiehlt Rushkoff Geduld, einen bewussten Umgang mit der Zeit und: zwischen durch einmal die Pause-Taste zu drücken.

Service

Douglas Rushkoff, "Present Shock. Wenn alles jetzt passiert", aus dem Amerikanischen von Gesine Schröder und Andy Hahnemann, orange-press, Freiburg 2014

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