Bibelkommentar zu Matthäus 16, 21 – 27

Gewöhnlich wird das Evangelium bei Gottesdiensten immer nur in kleinen „Portionen“ gehört. Diese Praxis birgt die Gefahr, die Evangelien für bunte Sammlungen von in sich abgeschlossenen Einzelepisoden aus dem Leben Jesu zu halten.

Das Gespür für größere Zusammenhänge droht dabei verloren zu gehen. Und verloren gehen damit auch wichtige Botschaften der Evangelien selbst.

Besonders deutlich wird das etwa am Evangelientext für diesen Sonntag: Da handelt sich der Apostel Petrus einen ordentlichen Rüffel ein. Er hat es gewiss gut gemeint mit seinem Einspruch gegen das Leiden und Sterben, das Jesus da ankündigt. Aber er misst dabei offenbar zu sehr nach den Maßstäben dieser Welt und scheint immer noch nicht kapiert zu haben: „... du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“, muss er hören und wird sogar noch „Satan“ – wörtlich „Widersacher“ – gescholten.

In dieser Episode steckt natürlich auch für sich genommen eine Aussage: Jesus verfolgt seinen Weg kompromisslos; und seine Konsequenz schließt auch den unausweichlichen, für ihn schließlich tödlich endenden Konflikt mit den religiösen und politischen Anführern seiner Zeit mit ein. Derselben furchtlosen Kompromisslosigkeit und Klarheit sollen sich auch seine JüngerInnen befleißigen. So wird das Reich Gottes Wirklichkeit.

Eine weitere, nicht unwesentliche Aussage des Evangeliums wird hingegen erst hörbar, wenn diese Szene in Zusammenhang mit dem unmittelbar vorangehenden Text-Abschnitt gelesen wird (– dem Evangelien-Ausschnitt des vergangenen Sonntags): Dieser handelt davon, wie Petrus Jesus als Messias und Gottessohn bekennt, und wie er daraufhin von Jesus als Fels bezeichnet wird, auf den er – Jesus – seine Kirche gründen würde. Bekanntlich hat besonders die römisch-katholische Kirche dieses Jesus-Wort vom Fels für sich reklamiert, bzw. für ihre obersten Amtsträger, also die römischen Bischöfe als Nachfolger des Petrus. Gerade dieses „Felsen-Wort“ musste immer wieder herhalten für gewaltige Macht- und Unfehlbarkeitsansprüche des Papsttums.

Was darüber aber weitgehend in Vergessenheit geraten ist: Nur 5 knappe Verse trennen die Auszeichnung des Petrus als unüberwindlichen Felsen von seiner scharfen Zurechtweisung als Satan! Und es spricht viel dafür, diese enge Nachbarschaft der beiden Szenen nicht für einen bloßen Zufall zu halten, sondern – im Gegenteil – für eine wichtige Botschaft des Evangelisten: Das Felsenfundament der Kirche Jesu besteht nicht in der Ausübung von Leitungsämtern durch bestimmte Personen, sondern in der Anerkennung Jesu als Messias und Gottessohn, auf den allein es zu hören, dem allein es kompromisslos nachzufolgen gilt!

Leitungsämter mögen notwendig sein für religiöse Gemeinschaften wie die katholische Kirche. Aber sie werden immer von Menschen ausgeübt. Und wie fehlbar, wie alles andere als felsenfest diese sein können, das führt der Evangelist drastisch und wie eine eindringliche Warnung vor Augen, wenn er innerhalb von nur wenigen Versen den Anführer der Apostel Petrus einmal als Fels, dann aber als Gottes Widersacher vorstellt.

Es geht hier nicht um die Person des Petrus allein. Der war vermutlich ein rasch entschlossener, kraftvoller Charakter, der manchmal großartig agierte, dann aber auch wieder ordentlich daneben langte. Es geht hier darum, dass das Maß an felsenfester Amtsautorität in jeder Kirche sich einzig und allein daran bemisst, wie sehr diese in der Nachfolge Jesu und also im Dienst des Gottesreiches steht.