Ostukraine: Separatisten wollen Mariupol zurück
In der Ostukraine ziehen die prorussischen Rebellen den Belagerungsring um die strategisch wichtige Hafenstadt Mariupol immer enger. Erst Anfang Juni war es dem ukrainischen Militär gelungen, Mariupol zurückzugewinnen. Aber die Rebellen konnten militärisch aufrüsten.
8. April 2017, 21:58
Auf die 450.000 Einwohner zählende Stadt entfällt ein Drittel der Industrieproduktion des Kreises Donezk. Mit der Eroberung der Hafen- und Industriestadt wollen die Separatisten einen Schritt weiter auf dem Weg zu einem eigenen Staat kommen.
Mittagsjournal, 2. September 2014
´Neurussland´ soll an die Krim grenzen
So groß die militärischen Erfolge der prorussischen Freischärler in jüngster Zeit auch waren, so haben sie derzeit noch kein Territorium unter ihrer Kontrolle, das etwa wirtschaftlich für eine Staatsbildung ausreicht. Daher ist aus Sicht der Rebellen die Wiedereroberung der Industrie- und Hafenstadt Mariupol so wichtig. Ziel der Rebellen ist es, die gesamten Gebiete der Kreise von Donezk und Lugansk, die derzeit von den Ukrainern gehalten werden, zurückzugewinnen. Dazu zählt etwa die Stadt Slowjansk, die monatelang umkämpft war, und seit Anfang Juli wieder in der Hand der Ukrainer ist. Somit ist mit weiteren Kämpfen zu rechnen. Doch „Neurussland“, wie der Staat der Freischärler heißen soll, ist noch größer: er reicht von Charkiw im Nordosten bis hin zum Bezirk Cherson, der unmittelbar an die Halbinsel Krim grenzt.
20 Prozent der Separatisten kommen aus dem Ausland
Zwischen Cherson und Donezk liegt der Kreis Zaporizhzhija, ein Kernland der Ukraine. Bisher ist es dort ruhig gewesen, doch ob das so bleibt, sei fraglich, sagt der stellvertretende Parlamentspräsident der sogenannten Volksrepublik von Donezk, Boris Litwinow. Auf dem Territorium des Kreises von Zaporoschije seien Freischärler-Einheiten aktiv geworden. Das sind Personen, die aus diesem Kreis stammen. Wie diese Freischärler dort vorgehen, das wisse man nicht, doch auch im Süden dieses Kreises können man über einen Aufstand sprechen, so Litwinow. Er schließt nicht aus, dass diese Aufständischen ihn um Hilfe ersuchen werden. Sie zu unterstützen sei zwar nicht sein Ziel, doch wenn sie um Hilfe bei der Befreiung des Kreises bitten, so werde er diese Hilfe wahrscheinlich leisten.
Die militärischen Erfolge führt Litwinow nur in beschränktem Ausmaß auf direkte Hilfe aus Russland zurück. Die Zahl der Freiwilligen aus Russland, Serbien, Frankreich und anderen Staaten beziffert er mit bis zu 20 Prozent der Streitmacht der Rebellen, die bis zu 8.000 Mann betragen soll. Ihre Erfolge hätten primär damit zu tun, dass die Ukrainer im Gegensatz zu den Freischärlern nicht wüssten, wofür sie kämpfen. Als weiteren Grund nennt Litwinow, dass seine Truppen den Ukrainern in jüngster Zeit sehr viele Waffen abgenommen hätten. Innerhalb der Volksrepublik Donezk gebe es sehr viele Maschinenfabriken und sehr viele Reparaturwerkstätten, wo man all diese Waffen wieder instand setzen kann. Er selbst kenne zahlreiche derartiger Firmen, die an der Reparatur dieser Militärtechnik, die den Ukrainern abgenommen worden ist, arbeiten.
Mehr Opfer als im Afghanistan-Krieg
Weit größer als von Kiew zugegeben sei laut dem stellvertretenden Parlamentspräsidenten auch die Zahl der Opfer.
"Die Zahl der Opfer ist schon größer als die Sowjetunion in der Zeit des Afghanistan-Krieges zu verzeichnen hatte. In Afghanistan starben nach offiziellen Angaben mehr als 13.000 Personen. Nach unseren vorläufigen Daten beträgt die Zahl der Getöteten und Verwundeten auf beiden Seiten insgesamt bis zu 40.000 Personen. Genau kann man das jetzt nicht sagen. Doch 40.000 Getötete und Verwundete sind es, wobei das Verhältnis etwa Eins zu Fünf beträgt. Auf einen unserer Getöteten kommen Fünf auf der anderen Seite."
Litwinow hofft, dass Kiew in absehbarer Zeit zu Verhandlungen bereit sein wird, um das Blutvergießen zu beenden. Nicht verhandelbar sei die Staatlichkeit der Volksrepubliken von Donezk und Lugansk, sagt er. Fraglich ist, ob Kiew das wirklich akzeptieren kann, noch dazu wenn die Ukraine befürchten sollte, dass es nicht nur bei der Abspaltung von Donezk und Lugansk bleiben wird.