"Zur schönen Aussicht" im Wiener Schauspielhaus

Ödön von Horvath scheint gerade heuer, im Gedenken an den Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren, eine besondere Aktualität zu haben. Heute Abend eröffnet das Wiener Schauspielhaus die Saison mit "Zur schönen Aussicht". 1926 geschrieben, ist es das erste Theaterstück Ödön von Horvaths. Es inszeniert Sabine Mitterecker.

Die Regisseurin hat u.a. zweimal den Nestroy-Theaterpreis für die beste Off-Produktion bekommen, 2000 für "Nichts Schöneres" von Oliver Bukowski und 2009 für ihre Bearbeitung von Thomas Bernards Prosatext "Frost".

Kulturjournal, 02.09.2014

Ein Kritiker hat Horvaths "Zur schönen Aussicht" als dessen vielleicht grausamstes bezeichnet. Eine Einschätzung, der Regisseurin Sabine Mitterecker durchaus etwas abgewinnen kann.

Ein fragwürdiges Ensemble

Ein ziemlich heruntergekommenes Haus ist es, und auch die Figuren, die sich darin bewegen, haben schon bessere Zeiten gesehen. Hoteldirektor Strasser ist ein ehemaliger Offizier und Schauspieler, der Kellner Max hat es als Kunstgewerbler nicht geschafft. Da gibt es einen Herrn Müller, Repräsentant einer Sektfirma, der vergeblich versucht, Geld einzutreiben, und auch schon manchmal als Generaldirektor betitelt wird oder Karl, den Chauffeur der wohlhabenden Ada, Freifrau von Stetten, die die Horde finanziert, wie Sabine Mitterecker es formuliert. Der Chauffeur Karl ist ein ehemaliger Schieber, der in Portugal wegen Totschlags gesessen ist. Und da gibt es noch Adas Bruder Emmanuel, dem die Spielschulden über den Kopf gewachsen sind, und der für alle Fälle immer eine geladene Pistole mit sich trägt.

Dieses fragwürdige Ensemble wird aufgemischt, als Christine hereinplatzt - sie hatte im Vorjahr eine Affäre mit dem Direktor Strasser und die hatte Folgen. Um ihn vor Unterhaltszahlungen zu schützen, sollen die Männer nun behaupten, sie hätten alle etwas mit Christine gehabt. So soll sie zur Hure gestempelt werden. Doch schließlich steigt sie, die Anständige, als Gewinnerin aus, denn Gott, wie sie sagt, hat ihr mit einer Erbschaft geholfen.

Bezug zu heute

"In diesem gesellschaftlichen Experiment gibt Horvath die ökonomische Macht, das Geld, den Frauen in die Hand und trotzdem ändern sich die patriarchalen Strukturen in keiner Weise", so Sabine Mitterecker. Das ist auch der Bezug zum heute, wo sich trotz aller Debatten kaum etwas geändert hat, meint die Regisseurin.

Ödön von Horvaths Text bezeichnet Sabine Mitterecker als hervorragende Partitur. So eine genaue Textvorlage ist natürlich eine Herausforderung für eine Regisseurin, zumal das Stück 1926 geschrieben wurde - wie kann da eine Aktualisierung aussehen, ohne die Vorlage entscheidend zu verändern? "Es geht darum, sie im Sinne des Autors anzufassen, natürlich vor der Schablone des 21. Jahrhunderts", so Mitterecker.

Horvath als Moralist?

Im Stück siegt schließlich die Gute über den korrupten Mikrokosmos der Männergesellschaft. Zeigt sich Ödön von Horvath da als Moralist? "Nein, er beurteilt gar nicht. Er setzt hin und gibt zur Beurteilung frei", sagt die Regisseurin.

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