Vom Fällen, Hacken und Feuermachen
Der Mann und das Holz
Der Norweger Lars Mytting gibt in seinem Werk "Der Mann und das Holz" nicht nur profunde Anleitungen zum Fällen, Hacken, Stapeln und Feuermachen, sondern erzählt ganz nebenbei die überaus unterhaltsame Kulturgeschichte des Holzes.
8. April 2017, 21:58
Es gibt Themen, die sind auf den ersten Blick so banal, dass man nicht zwangsläufig damit rechnet ein ganzes Buch zu füllen und dann sogar noch einen Sachbuch-Bestseller zu landen. Es ist aber durchaus möglich, wie der norwegische Autor Lars Mytting mit seinem Werk "Der Mann und das Holz" beweist.
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Feuer bedeutet lebendige Wärme, es zieht die Menschen seit Urzeiten an, fasziniert sie und gibt ihnen Sicherheit. Flammen und Glut erzeugen dieselbe Infrarotstrahlung wie die Sonne, die Wärme entsteht hier auf der Haut und im Körper. Gar nicht zu reden von dem beruhigenden Gefühl beim Blick in ein flackerndes Feuer - und dem feinen Duft von Holz und Rauch. All das macht die Magie des Feuers aus.
In Skandinavien hat die Holzfeuerung prinzipiell wenig mit archaischen oder nostalgischen Gefühlen zu tun. In einem durchschnittlichen Winter verbrauchen die Norweger 1,5 Millionen Tonnen Holz. Das sind ungefähr 2000 Güterzüge zu je zwölf Holzwaggons. Das Ölland Norwegen besteht zu etwa einem Drittel aus Wald. Der jährliche Verbrauch beträgt dennoch nur zwölf Prozent von dem, was nachwächst und weniger als ein halbes Prozent des bestehenden Waldvolumens. Es kann also munter drauflos gefällt, gespalten, gestapelt und verfeuert werden.
Hölzernes Konto für kalte Zeiten
Holz machen gehört in Norwegen zur Volkskultur wie Langlaufen oder Elche jagen. Das Heizen mit Holz ist aber in einem Land, in dem man erst ab einer Temperatur von minus 40 Grad offiziell von einer Kältewelle spricht, mehr als geliebte und gelebte Tradition. Der Hauptgrund für den gestiegenen Holzverbrauch ist praktischer Natur: In Norwegen gilt Holz als "nationales Sparkonto für kalte Zeiten". Winterliche Stromausfälle können innerhalb weniger Stunden zu kritischen Situationen führen. In solchen Fällen gibt es nichts Besseres als Brennholz.
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Es gibt uns ein Gefühl der Sicherheit, wenn Energie in fester Form vor dem Haus gestapelt ist. Ein Holzstapel macht uns nichts vor, man sieht immer, wie viel man noch hat.
Utensilien und Handwerk
Vor dem Stapeln müssen allerdings Bäume gefällt und Holz gehackt werden. In den drei großen Kapiteln "Der Wald", "Das Werkzeug" und "Am Hauklotz" beschreibt Lars Mytting die wesentlichen Schritte des Holzes auf dem Weg zum Stapel. Holzfällen, das scheinbar so einfache und rohe Handwerk, steckt voller "Finessen, kleiner Tricks und Kunstgriffe". Als wichtiger Merksatz für Anfänger gilt: Bäume haben ihren eigenen Willen. Anhand von Kronenform, Schwerpunkt und eventueller Hanglage muss man zunächst erkennen lernen, wo der Baum von sich aus hinfallen wird. Wer hier falsch rechnet, riskiert nicht nur Unannehmlichkeiten wie das Steckenbleiben des Sägeschwertes oder das Verkeilen des Baumes in benachbarten Artgenossen, sondern vor allem schwere Verletzungen.
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Man kann das Feuer im Ofen nicht wirklich genießen, wenn man dafür Körperteile opfern muss.
Waldarbeit ist extrem anstrengend. Die Bezeichnung "Holzfällersteak" kommt nicht von ungefähr. In Schweden wurde über die Verpflegung von Waldarbeitern sogar eine Universitätsstudie durchgeführt. Diese besagt, dass Holzfäller in Norrland pro Tag satte 9.300 Kalorien zu sich nahmen. Damit waren sie an der Grenze dessen, was Menschen überhaupt aufnehmen können. Der Rekordwert liegt bei 12.000 Kalorien, gemessen auf einer Polarexpedition. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von rund 6.000 Kalorien pro Waldarbeiter und Tag werden herzhafte Zwischenmahlzeiten dringend angeraten.
Fällen zum richtigen Zeitpunkt
Auf dem Weg zum Holzscheit lauern allerdings noch mehr Gefahren, als die Kraftlosigkeit des Waldarbeiters. Der Autor erklärt wie man Nässe, Insekten und Schädlinge fernhält und berichtet über die Brennwerte verschiedener Holzarten ebenso wie über den richtigen Fällzeitpunkt im Jahreszyklus. In Norwegen spielen traditionellerweise auch die Mondphasen immer noch eine wesentliche Rolle. Demnach sollen Bäume bei abnehmendem Mond gefällt werden, weil sie so angeblich schneller trocknen.
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Obwohl diese Tradition bis in die Römerzeit zurückreicht, werden einen die meisten Waldbesitzer wohl merkwürdig anschauen, wenn man einen Vollernter im Wert von circa 350.000 Euro ausschaltet und erst einmal bis nach dem nächsten Vollmond Pause macht.
Was der Stapel so verrät
Das Buch glänzt nicht nur durch zahlreiche Farbfotos und einen holzbeschichteten Buchdeckel, sondern vor allem durch seinen herzlichen, entspannten und humorvollen Umgang mit dem scheinbar sperrigen Thema. Beim Lesen starrt man plötzlich auf den eigenen weißen, kalten und gänzlichen mythenfreien Heizkörper und würde am liebsten sofort aufbrechen, um im nächstgelegen Wald zur Axt zu greifen. Der eigentliche und unerwartete Höhepunkt ist das Kapitel "Der Stapel". Jedes Scheit ein Baustein, jeder Stoß eine Skulptur, die den Stempel seines Erbauers trägt. Für den perfekten Stapel, der ja zum Trocknen des Holzes angelegt wird, gibt es eine Faustregel: Eine Maus soll noch durch die Scheite passen, aber wenn die Katze hinterher springen kann, ist der Abstand zu groß.
Nicht nur Norweger glauben allerdings auch fest daran, dass der fertige Stapel einiges über den Erbauer aussagt. Im waldreichen US-Bundesstaat Maine war es im 19. Jahrhundert durchaus üblich, dass junge, heiratswillige Frauen potentielle Ehemänner anhand ihrer Holzstapel aussuchten. Ein amerikanisches Wochenblatt kombinierte Art und Eigenschaften von Stapel und Stapelbesitzer so:
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Gerader, solider Stapel - Aufrechter, solider Mann!
Ungewöhnliche Form - Freidenker, offenherzig. Auf Schwächen achten!
Haufen direkt auf dem Boden - Greenhorn, faul, versoffen oder alles zugleich!
Viel Holz - Vorausdenkend, treu!
Kein Holz - Kein Ehemann!
Service
Lars Mytting, "Der Mann und das Holz. Vom Fällen, Hacken und Feuermachen", aus dem Norwegischen von Günther Frauenlob und Frank Zuber, Insel Verlag
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