Frankreichs Budget verfehlt EU-Vorgabe

Bis heute 24 Uhr haben die EU-Staaten Zeit, ihre Haushaltsentwürfe für 2015 der Kommission in Brüssel vorzulegen. Besonderer Druck lastet dabei auf Frankreich, das die versprochene Senkung des Haushaltsdefizits erneut nicht einhalten wird - und dies schon zum dritten Mal innerhalb von zehn Jahren.

Für 2015 sieht der Haushaltsentwurf aus Paris immer noch ein Defizit von 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vor, statt drei Prozent, wie noch vor zwei Jahren angekündigt worden war. Theoretisch könnte Brüssel gemäß dem EU-Stabilitätspakt den Budgetentwurf aus Paris abschmettern und Nachbesserungen fordern. Die französische Regierung, die den Haushaltsentwurf gestern ins Parlament eingebracht hat, spielt diese Möglichkeit herunter.

Morgenjournal, 15.10.2014

Regierung mit wenig Spielraum

Seit vor zwei Wochen Frankreich durch Meldungen aufgeschreckt wurde, die EU-Kommission könnte den französischen Haushaltsentwurf 2015 zurückgehen lassen und von Paris zusätzliche Anstrengungen in Höhe von 8 Milliarden Euro fordern, betonen der Premier- und der Finanzminister gebetsmühlenhaft: 21 Milliarden Einsparungen für 2015 und 50 Milliarden für die nächsten drei Jahre seien ohnehin schon von historischem Ausmaß. Weitere Anstrengungen seien derzeit wegen schwacher Konjunktur nicht nur in Frankreich und wegen extrem niedriger Inflation nicht möglich. Auch politisch scheint das angesichts der jüngsten Wahlerfolge der europafeindlichen Nationalen Front nur schwer machbar, nicht zu vergessen die Abtrünnigen aus dem sozialistischen Lager, die schon die bislang vorgesehenen Einsparungen schlicht ablehnen und angesichts der sehr knappen Mehrheit sogar die Regierung zu Fall bringen könnten.

Heftige Debatte

Entsprechend hoch ging es gestern in der Nationalversammlung her, zum Auftakt der Budgetdebatte. Ex-Agrarminister Le Maire beklagte im Namen der konservativen Opposition das Fehlen echter Strukturreformen, forderte die Abschaffung der 35-Stunden-Woche und sagte an den Premierminister gewandt: "Wo sind die Reformen? Sie sprechen von Reformen, aber sie machen sie nicht. Sie begnügen sich mit einer Flickschusterei bei den Steuern, die die Franzosen beunruhigt."

Premierminister Valls ließ erneut keinen Zweifel daran, dass er keine Tabus anfassen will und eine Rosskur für Frankreich ablehnt: "Wollen wir an der Arbeitszeitverkürzung etwas ändern? Die Anteort lautet : nein – ich habe das schon einmal gesagt. Wollen wir das Rentenalter auf 65 erhöhen? Nein! Wollen wir 100 oder 150 Milliarden Einsparungen, die unseren sozialen und republikanischen Pakt in Frage stellen würden – die Antwort ist: Nein!"

"Keine Lektionen"

Doch Frankreichs Regierung sitzt in einer echten Zwickmühle und niemand weiß zur Stunde, wie sie Quadratur des Kreises schaffen soll. Auf den Druck auch von anderen EU-Mitgliedsstaaten und auf die Möglichkeit, dass die Kommission den französischen Budgetentwurf schlicht ablehnen könnte, reagiert man in Paris bislang abwiegelnd, ja überheblich. Premierminister Valls vor einigen Tagen: "Ich akzeptiere keine Lektionen, was die Haushaltsführung angeht. Ich fordere alle zur Besonnenheit auf und verlange Respekt, besonders von europäischen Partnern, wenn man von Frankreich spricht."

Einziges eventuelles Zugeständnis an Brüssel: Premier- und Wirtschaftsminister haben eine Diskussion über Kürzungen beim Arbeitslosengeld angestoßen. Ansonsten, so heißt es hinter den Kulissen, hoffe Paris darauf, auf Grund des Wechsels der Kommission Ende Oktober mit einem blauen Auge davon zu kommen – Barroso wünsche sich zu seinem Abgang keinen handfesten Streit mit Frankreich und Juncker wolle seine Amtszeit nicht mit einem solchen beginnen.