Kritik an unserem Umgang mit dem Tod

Sterben zwischen Würde und Geschäft

Günther Loewit, Tiroler des Jahrgangs 1958, praktischer Arzt im niederösterreichischen Marchegg, Roman- und Sachbuchautor kritisiert, dass unsere Kultur nicht nur das Sterben verlernt habe, sondern auch den Tod aus ihrer Wirklichkeit verbanne.

Ob aber nun der Todestag ein schöner Tag ist, oder, wie wir es eher erwarten, ein trauriger und schmerzvoller: es ist unser eigener Tag! Was aber, wenn dieser Tag uns nicht mehr gehört? Genau davon handelt Günther Loewits Buch.

Nach drei Romanen und zwei durchaus kontroversiell angelegten medizinischen Sachbüchern landete Günther Loewit fast logisch beim Thema des Sterbens, hieß doch sein vorletztes Buch „Der ohnmächtige Arzt“, und sein letztes: „Wieviel Medizin überlebt der Mensch?“. Die Widerstandsfähigkeit der Patienten gegen Behandlungen aller Art spielt auch in seinem neuen Buch „Sterben zwischen Würde und Geschäft“ eine nicht unerhebliche Rolle.

Möchten Sie so sterben?? - Das Buch enthält Dutzende solcher anonymisierter, aber authentischer Fallbeispiele, die laut Autor gar nichts Besonderes sind, sondern tagtäglich hundertfach in ganz Westeuropa in dieser oder ähnlicher Art vorkommen. Grund für diesen bestürzenden, wenngleich unbeabsichtigten Diebstahl des jeweils eigenen, persönlichen Todesmoments sind nicht nur Gesetze, die beispielsweise einem Sanitäter vorschreiben, vor Eintreffen eines Arztes in jeden Fall mit einer Reanimation zu beginnen. Auch wenn der Patient im Sterben liegt, oder sogar bereits gestorben ist. Grund sind auch die Berührungsängste sowohl der Angehörigen als auch der Ärzte.

Günther Loewit versteht sich als Haus- und Familienarzt im klassischen Sinn, für den Geburt, Aufwachsen, Altern und Sterben natürliche Vorgänge sind, in denen der Patient auf jeweils verschiedene Weise von der einfühlsamen Begleitung durch den Hausarzt profitiert. Vor dem Begriff der „Sterbehilfe“ schreckt Günther Loewit dabei ganz ausdrücklich nicht zurück. Er zieht den Vergleich zur Geburtshilfe; so wie man von selbst geboren werde, sterbe man auch von selbst. Und, er erinnert an die Formulierung des Volksmundes „hinüberschlafen“.

Wem gehört der Tod? Warum fürchten wir den Tod? Woran sterben wir? Was kostet das Leben? Wer entscheidet über Leben und Tod? Das sind verschiedene Unterkapitel in dem dreiteiligen Buch, das das Sterben unter den Aspekten des persönlichen Sterbens, des Sterbens innerhalb der Gesellschaft, sowie das Verhalten der Medizin im Angesicht des Sterbens abhandelt. Verschiedene gesetzlich festgelegte Sterbehilfe-Begriffe werden im Buch erörtert, und Günther Loewit schlägt dabei stets auch den Bogen zu seinem Alltag als Arzt.

Der Arzt Günther Loewit diagnostiziert in seinem Buch eine kranke und stillstehende westliche Gesellschaft, die wenig Kinder hat, und zugleich ihre Alten nicht sterben lassen kann.

Service

Günther Loewit, „Sterben zwischen Würde und Geschäft“, Haymon Verlag