Der Tod der Gerichtsmedizin?
Gerichtsmediziner haben inzwischen in jedem Fernsehkrimi eine fixe Rolle. Ohne sie und ihre ausgeklügelten Methoden haben die Kriminalisten keine Chance, die Mörder zu finden. Die Realität in Österreich schaut ganz anders aus. Es gibt viel zu wenige Gerichtsmediziner, für Obduktionen ist immer weniger Geld da. Mit der Folge, dass in Zukunft Morde in manchen Fällen gar nicht mehr als Verbrechen erkannt werden. Diese drastische Warnung kommt jetzt von einem Vertreter des Wissenschaftsrates.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 22.11.2014
Kaum jemand in Ausbildung
Wenn es so weiter geht, sterben uns die Gerichtsmediziner quasi aus: Die Alten gehen in Pension, die Jungen rücken nicht nach. Weils zu wenig Uni-Jobs für die Nachrücker gibt, oder wenn - dann nur für schlanke 2.400 Euro brutto monatlich. Walter Berka, stellvertretender Vorsitzender der Wissenschaftsrates, und im Zivilberuf Professor für Öffentliches Recht in Salzburg, warnt: es gebe Standorte wie Wien, wo derzeit kein einziger Gerichtsmediziner in Ausbildung ist.
Es profitieren die Mörder
In Österreich wurden früher bis zu 35 Prozent der Verstorbenen obduziert, jetzt sind es nur noch um die 13 Prozent. Walter Berka zitiert drastisches aus den Recherchen: „die Zahl der gerichtsmedizinischen Untersuchungen ist drastisch zurückgegangen. Profitieren werden die Mörder. Die Vermutung ist, dass die Ursache von bis zu 30 Prozent der Todesfälle nicht sachkundig aufgeklärt wird.“
Mitglied des Wissenschaftsrates ist auch Guido Adler, der Chef des Universitätsklinikums Heidelberg. In den letzten 6 Jahren seien in Österreich nur vier Fachärzte für Rechtsmedizin ausgebildet worden, sagt Adler.
In Wien sei die Situation besonders dramatisch, sagt der Wissenschaftsrat. Das gerichtsmedizinische Institut der Medizinischen Universität Wien habe nicht einmal mehr eine DNA-Analysemöglichkeit, und auch keine toxikologische Untersuchung. Die Zahl der Obduktionen in Wien ist von einst 3000 auf nunmehr 400 gesunken. Können die Pathologen in den Krankenhäusern Arbeit der Rechtsmediziner nicht ersetzen? Nein, sagt Mediziner Adler.
In seinem 44seitigen Gutachten verlangt der Wissenschaftsrat die Bereitstellung von mehr Ressourcen durch die öffentliche Hand. Zitat: Wissenschafts- und Gesundheitspolitik, Justiz und Universitätsleitungen müssen damit rechnen, dass die Gerichtsmedizin nicht immer gewinnbringend agieren kann, um ihren Auftrag mit höchstmöglicher Qualität zu erfüllen. Zitat Ende. Klingt nach Beschreibung einer - typisch österreichischen - Situation. Und der Wissenschaftsrat empfiehlt, die Verantwortung für die Gerichtsmedizin in die Hände eines einzigen Ressorts, z.B. des Wissenschaftsressorts zu legen.