Offene Kritik Chinas an Nordkorea

Das isolierte Nordkorea hat nur wenige Freunde. Der wichtigste Verbündete ist China und dort mehren sich jetzt die Anzeichen, dass es innerhalb der Führungsriege in Peking zumindest Diskussionen über die vorbehaltlose Unterstützung des unberechenbaren Verbündeten gibt. Ein hochrangiger General der chinesischen Volksbefreiungsarmee hat jetzt in einem Kommentar in einer parteinahen Zeitung das Bündnis zwischen China und Nordkorea offen hinterfragt. China und Nordkorea hätten keinesfalls dieselben Interessen, schreibt General Wang in der Global Times. Und spekuliert gar über ein Ende Nordkoreas.

Mittagsjournal, 2.12.2014

Aus Peking,

Dass die Mächtigen in Peking unzufrieden sind mit dem unberechenbaren Machthaber in Pyöngyang und dass chinesische Diplomaten trotz offener Kontaktkanäle zum Nachbarn oft ebenfalls über dessen Motive nur rätseln können, das ist nicht neu. Neu ist, dass eine parteinahe Zeitung den Wutausbruch eines chinesischen Militärs im Generalsrang dokumentiert. Bisher hat sich Peking mit öffentlicher Kritik an Nordkorea zurückgehalten. General Wang bricht mit dieser Tradition. China und Nordkorea hätten längst nicht mehr dieselben Interessen, China habe Nordkorea zu viele Gefallen getan. In dem Land sei eine Erbfolge einer einzigen Familie installiert worden, das habe mit Sozialismus nichts zu tun, schreibt der General. Im Zeitalter der modernen Kriegsführung habe Nordkorea ohnehin als Pufferstaat für China seine Bedeutung verloren.

"Man hält Kim für einen Verrückten"

Der Kommentar von General Wang dürfte von höchster Stelle abgesegnet worden sein und legt den Schluss nahe, dass Mitglieder im engsten Machtzirkel der chinesischen KP zunehmend frustriert mit Nordkorea sind und dem jungen Führer in Pyöngyang eine Mahnung zukommen lassen wollen. Chinas Politik gegenüber Nordkorea steht auf dem Prüfstand sagt der Pekinger Politologe Zhang Lifan: „Nordkorea hat China viele Probleme bereitet. Man denkt darüber nach, wie man mit Kim Jong Un umgehen soll, den man für einen Verrückten hält. Der Pakt mit Nordkorea wirft ein schlechtes Licht auf China. Aber vor allem der linke Flügel in der Kommunistischen Partei will den sozialistischen Bruder nicht einfach fallen lassen. Und so gibt es in der Partei keine einheitliche Meinung wie man mit Nordkorea umgehen soll.“

Nordkoreas Nuklearprogramm und Atomtests nerven China jedenfalls gehörig. Weil sie die ganze Region destabilisieren und Nachbarn wie Japan ebenfalls zu einer nuklearen Aufrüstungen drängen könnten. Letztlich auch, weil die Tests nahe der chinesischen Grenze stattfinden und dort die Gesundheit der lokalen Bevölkerung gefährden. Dass sich Nordkorea bisher standhaft weigert, Wirtschaftsreformen nach Vorbild Chinas durchzuführen, sorgt hier für Unverständnis. Dass Nordkoreas Führer Kim-Jong-Un im letzten Jahr dann noch seinen Onkel hinrichten ließ, hat Chinas Mächtige endgültig vor den Kopf gestoßen. Der Onkel galt als wichtigster Verbindungsmann des Regimes nach Peking. Sein Tod hat das Rätselraten, manche meinen eher die Ratlosigkeit, in Chinas höchsten Machtkreisen nur noch verstärkt.