Hörspiel von Robert Musil
Die Verwirrungen des Zöglings Törleß
Um das Jahr 1900. Irgendwo in der Provinz der österreichisch-ungarischen k.u.k. Monarchie.
27. April 2017, 15:40
Im "Konvikt zu W.", einem Militärinternat zur Aufzucht künftiger Eliten, gerät der Zögling Törleß in einen Zustand der Verwirrung, die seinen künstlerischen wie analytisch-intellektuellen Charakter zum Erwachen bringt. Der Mit-Zögling Basini, obgleich aus vermögendem Hause, bestiehlt seine Mitschüler, um seine Schulden durch Prasserei und Hurenbesuche zu begleichen. Er wird von Törleß' Freunden Reiting und Beineberg entlarvt. Gemeinsam mit Törleß wollen sie Basinis Tat der Schulleitung nicht anzeigen, wenn er ihnen fortan in ihrem Dachbodenversteck zu Willen ist. An ihm, der die Opferrolle zunehmend bereitwilliger annimmt, erproben sie ihre Vorstellungen von sexueller Hörigkeit und Demütigung.
APA, Die Verwirrungen des Zöglings Törleß
... noch nicht mit fertigen Menschen zu tun ...
Törleß beobachtet anfänglich nur aus distanziert-interessierter Perspektive die Experimente an Basini, erliegt dann doch dem Faszinosum ebenfalls für kurze Zeit, um sich aber am Ende abzuwenden. Als die ganze Klasse gleich einem wild gewordenen Mob Basini im Sportraum quält, kommt es wegen des Zwischenfalls zur Anhörung durch die Schulleitung. Törleß verlässt das Internat.
Musils Roman-Debüt, 1906 erschienen, erzählt vordergründig eine jugendliche Entwicklungsgeschichte im Kontext autoritär-militärischer Erziehung in der Donau-Monarchie, die angesichts des sozialen Wandels und der modernen Wissenschaften längst ihre Legitimation verloren hat. Im Kern jedoch geht es um die moralfreie und funktionale Darstellung der Mechanismen von sexuellen Grenzerfahrungen. Junge Männer suchen sie auf, um ihre eigene Individualität zu begründen oder darin zu begraben. Die Sehnsucht nach dem persönlichen wie gesellschaftlichen Ausnahmezustand, der eine neue Persönlichkeit erstehen lassen soll, überführte der Erste Weltkrieg in die Wahrheit der anonymisierenden Materialschlachten.
Team
Regie: Iris Drögekamp, Bearbeitung: Manfred Hess, Komposition: Michael Riessler, Tongestaltung: Vincenzo Schiavo und Felix Fauner; Stefan Wirtitsch, Christoph Kodydek, Anna Kuncio; Dietmar Rötzel und Judith Rübenach, mit Michael Rotschopf, Stefan Konarske, Manuel Rubey, Stefano Bernardin, Florian Teichtmeister, Ursula Strauss, Cornelius Obonya, Erwin Steinhauer, Franz Josef Csencsits, Helmut Bohatsch und Petra Morzé sowie Amelie Böckheler (Violine), Filippo Maligno (Violine, Viola), Raphaela Gromes (Cello), Jacopo di Tonno (Cello), Enrico Melozzi (Violoncello) und Andreas Unterreiner (Trompete) (Produktion SWR/ORF)