Digital ist besser! Kunsträume im Internet

Damien Hirst macht es, die weltweit größte Galerie Gagosian macht es und das alt ehrwürdige Auktionshaus Sotheby's macht es auch: Sie bieten Kunst online an. Doch alle Versuche, Kunst über das Internet zu verkaufen und zu präsentieren, haben bisher nur bescheidene Erfolge gezeitigt.

Beat Streuli abfotografiert

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Trotzdem versuchen immer mehr große Player in den Internet-Kunsthandel einzusteigen und auch junge Künstler und Künstlerinnen wittern im Internet neue Möglichkeiten.

Kulturjournal, 07.01.2015

Gemeinsam mit dem österreichischen Künstler Valentin Ruhry hat der Australier Andy Boot cointemporary.com gegründet. Ein Kunstwerk pro Woche wird auf cointemporary.com ausgestellt; und zwar seit Mai 2014. 24 Arbeiten wurden bisher ausgestellt. Eine sogar verkauft.

Cointemporary-Gründer Andy Boot ist mit der Resonanz zufrieden. "Für uns war es interessant, eine Internet-Plattform zu gründen, auf der man ein Werk sieben Tage lang zeigt. Auf der Seite erscheint immer nur eine einzige Arbeit, die man auch kaufen kann und zwar mit Bitcoins. Normalerweise - auf Kunstmessen, oder Internetpräsentationen von Galerien - wird man mit Werken und Informationen darüber geradezu bombardiert. Wir haben uns bewusst für diese reduzierte Präsentation entschieden: Ein Beitrag zur Entschleunigung der Kunstrezeption."

Kunst im Warenkorb

Cointemporary.com ist eine Mischung aus virtuellem Offspace und Galerie. Entwickelt wurde die Plattform von den beiden Künstlern Valentin Ruhry und Andy Boot. Beide leben und arbeiten in Wien, beide werden von Wiener Galerien vertreten. Andy Boot von der Galerie Emanuel Layr, Valentin Ruhry von der Galerie Christine König. Trotzdem interessieren sich die Künstler für neue Formen der Kunstvermarktung und -präsentation.

Zudem beschäftigen sich Ruhry und Boot seit längerer Zeit intensiv mit der virtuellen Währung Bitcoin, eine Währung, die gerne als Bargeld des Internets bezeichnet wird. Es ist die erste Währung, die dezentral funktioniert, also ohne zentrale Regulierungsinstanz auskommt. Sogar der Gründer des virtuellen Geldsystems ist unbekannt. Valentin Ruhry, der vor kurzem drei Monate in der IT-Hochburg San Francisco verbracht hat und dort am San Francisco Art Institute unterrichtet hat, ist von den Möglichkeiten der Zahlungsmethode begeistert.

Beat Streulis Arbeit "New Street" kann auf cointemporary.com um 25 Bitcoin gekauft werden, das sind umgerechnet ungefähr 6080 Euro. Doch der Kurs der virtuellen Währung Bitcoin, der durch Angebot und Nachfrage gesteuert wird, kann innerhalb weniger Tage extrem schwanken. Eine Arbeit, die angeboten wird, kann am Ende der Ausstellungswoche also umgerechnet mehr oder weniger kosten als am Anfang der Woche. Die Logik des Kunstmarktes, die den Wert eines Kunstwerkes nach seinem Verkaufswert bestimmt, wird damit gewissermaßen ausgehebelt, oder aber vielleicht sogar karikiert. Denn erstens ist der Bitcoin-Wert äußerst unbeständig und zweitens: Wer weiß schon, wie viel 25 Bitcoin umgerechnet wirklich wert sind.

"Wenn man in einer Zeitung den Kunstteil liest, hat man oft das Gefühl, den Wirtschaftsteil zu lesen. Es geht nur darum, zu welchem Rekordpreis eine Arbeit von Damien Hirst verkauft worden ist, oder darum, wie viel die Produktion einer Arbeit von Jeff Koons gekostet hat. Dieses monetäre Bewertungssystem von Kunst ist sehr problematisch. Wenn Bitcoin das Zahlungsmittel ist, so greift dieses Bewertungssystem nicht. Niemand weiß, wie viel 25 Bitcoin eigentlich wert sind. Zudem ändert sich der Wert ständig", sagt Cointemporary-Gründer Valentin Ruhry. Man kann die Plattform cointemporary.com als eine Art Kommentar auf einen überhitzten Kunstmarkt begreifen, der Kunst zum Investment und Spekulationsgut macht. Das hat Witz und wirft wichtige Fragen auf. Cointemporary.com. ist mehr als eine Internetplattform, es ist ein interaktives Kunstwerk, eine Art Experiment. Ausgang offen.

Post-Internet-Art

Und auch der zweite Schauplatz befindet sich im virtuellen Raum. Dort sucht der Galerist Steve Turner nach neuen Talenten: "Ich bin auf eine Gruppe von Künstlern aufmerksam geworden, Künstler zwischen 20 und Anfang Dreißig, die als Post-Internet-Künstler bezeichnet werden. Niemand kann den Namen leiden, aber er ist hängengeblieben. Gemeint sind Künstler, die mit dem Internet seit frühster Jugend vertraut sind. Ihre Arbeiten sind vom Internet inspiriert, werden im Internet veröffentlicht und rezipiert. Petra Cortright gehört zu dieser Künstlergruppe. Ihre Arbeiten sind sehr interessant und basieren auf Material, das sie online kostenlos findet".

Turner betreibt eine Galerie in L.A., direkt gegenüber vom L.A. County Museum. Er vertritt unter anderem den Filmemacher Werner Herzog, der sich in den letzten Jahren aufs Kunstparkett gewagt hat. Doch auch die ganz junge Kunst hat in Steve Turners Galerie Platz. Eine seiner Entdeckungen ist die 28-jährige Künstlerin Petra Cortright. Sie betrachtet das Internet als ihre Leinwand. Auf YouTube veröffentlicht Cortright kleine Videos, die sie mit Animationen aufpeppt. Zur Aufnahme ihrer Videos verwendet Petra Cortright eine handelsübliche Webcam. "Ich habe das erste Webcam-Video gemacht und online gestellt. Es gab viele Reaktionen darauf. Ein Kunstkritiker schrieb sogar eine Besprechung. Dann habe ich begonnen, mich mit der Software von Webcams auseinanderzusetzen, mit Effekten, die man damit erzeugen kann. Mein Zugang ist spielerisch. Manchmal reicht eine kleine Bewegung, oder der Lichteinfall ändert sich und schon hat man einen Effekt erzeugt, der perfekt ist", sagt Petra Cortright.

Das Netz als Leinwand

In ihren YouTube-Videos wirft sich Petra Cortright in verführerische Posen. Spitzt die Lippen, bewegt sich sinnliche vor der Webcam. Kitsch ist hier Programm. Postironisch nennen das manche Kunstkritiker. Egal, was man von der Qualität mancher Arbeiten halten mag. Es gibt eine Künstlergeneration, deren Kunst im Internet entsteht, sie entsteht mit den Mitteln des Internets und wird folgerichtig auch im Internet präsentiert und vermarktet.

Der König der Post-Internet Art heißt Ryan Trecartin. Er hat bei der Biennale in Venedig ausgestellt, im New Museum in New York und im L.A. County Museum. Seine Arbeiten sehen aus "wie YouTube-Videos auf Speed", so fasste es zumindest das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" anlässlich einer Ausstellung Trecartins in den Berliner Kunstwerken zusammen. Nicht alle Post-Internet-Künstler schaffen es wie Ryan Trecartin in den etablierten Kunstbetrieb, doch Kunsträume im Internet bleiben auch in Zukunft spannend.