Nachruf Franceso Rosi

Am Wochenende ist der italienische Filmregisseur Francesco Rosi im Alter von 92 Jahren in Rom gestorben. Er gilt als eine der zentralen Figuren in der Kinolandschaft seiner Heimat nach 1945. Zu Rosis bekanntesten Werken gehören Filme wie "Wer erschoss Salvatore G.", "Hände über der Stadt", das Mafioso-Porträt "Lucky Luciano" und "Drei Brüder".

Francesco Rosi 2008 in Berlin

EPA, Brakemeier

Kulturjournal, 12.01.2015

Die Macht und ihr Preis

Begonnen hat der studierte Jurist seine Kinolaufbahn als Regieassistent bei Luchino Visconti, Michelangelo und Antonioni Mario Monicelli, bei denen Rosi seinen Blick für die Wirklichkeit schärfte. Ende der 1950er Jahre wechselte Francesco Rosi selbst in den Regiesessel.

Die Mafia und ihre Verbindungen zur Staatsmacht, sei es zur Polizei, zur Politik oder zur Bürokratie: Dieses Geflecht galt es zu durchdringen, in diesem Dickicht stöberte Francesco Rosi intensiv nach der Wahrheit, etwa schon in seinem ersten größeren Filmprojekt "Salvatore Giuliano" aus dem Jahr 1962 rund um den legendären sizilianischen Banditen. "Wer erschoss Salvatore G.?" - der deutsche Titel drückt Rosis Erkenntnissinteresse genauer aus. Ein historischer Fall und jede Menge offener Fragen. Misstrauen ist also angesagt, wenn die Polizei von einem von einem Schusswechsel mit Giuliano und von heldenhafter Verteidigung spricht.

Vorbild Neorealismus

Seinen Drang zur ungeschönten Darstellung der Wirklichkeit fand Rosi schon früh im italienischen Neorealismus: Ein Kino, das sich den Fakten des Alltags widmete, nahe am Leben auf der Straße oder in den Häusern der Menschen dran war, so Rosi einmal. "Visconti, Rossellini und de Sica haben das Kino revolutioniert", zeigte sich Rosi von den neorealistischen Meistern beeindruckt.

Wirklichkeitsverdichtungen

Bei Luchino Visconti machte der 1922 geborene Rosi als Regieassistent seine ersten Kinoschritte in der Praxis. Dabei lernte er auch die italienische Nachkriegs-Wirklichkeit oft mit nur wenigen Bildern zu verdichten. Korruption und Profitgier verdeutlichte er 1963 im Film "Le mani sulla città" durch einstürzende Häuser infolge von Baumängeln.

Von der Mafia begangene Landschaftssünden wie unsägliche Autobahnbrücken begleiten ganz beiläufig auch die Fahndungsarbeit eines von Lino Ventura gespielten Kommissars im Film "Cadaveri eccellenti" (dt. "Die Macht und ihr Preis") aus dem Jahr 1975 - Hintergrundarbeit im besten Sinne. Ventura gibt einen Ermittler, der es nicht nur mit dem Verbrechen, sondern auch mit seinen eigenen Vorgesetzen zu tun bekommt: Sie sind nicht an der Wahrheit hinter einer Mordserie interessiert, sondern an politisch vermarktbaren Ergebnissen.

Sympathien für anspruchsvolles Erzählkino

In der Wirklichkeit auch das Unwirkliche und vor allem das Unsichtbare sichtbar machen - die gesellschaftlichen Strukturen und ihre politischen Zusammenhänge -, dieses Ziel verfolgte der bekennende Linke Rosi bis Mitte der 1970er Jahre beharrlich. 1972 rollte er unter anderem in "Il caso Mattei" den mysteriösen Tod des italienischen Erdölmanagers Enrico Mattei auf. Ab Mitte der 1970er ließ der gebürtige Neapolitaner aber auch in Filmen wie "Christus kam nur bis Eboli" und dem Oscar-nominierten Drama "Drei Brüder" Sympathien für ein anspruchsvolles Erzählkino erkennen. Wie auch immer, Film sei für ihn immer Kennerschaft und Kommunikationsleistung zugleich, so Rosi.

Festival-Stammgast

Der einstige Schulkamerad des heutigen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano war oft zu Gast auf den drei großen Europäischen Filmfestivals in Berlin, Venedig und Cannes; Plätze, die Autorenfilmern vom Schlage Rosis gerne den roten Teppich ausrollten und ihn mit entsprechenden Preisen auch wieder nach Hause schickten.

Francesco Rosis Ableben am Wochenende infolge einer schweren Bronchitis löste Betroffenheit und Respekt aus, "keiner konnte von der Macht so erzählen wie er", ließ etwa Mafia-Autor Roberto Saviano via Twitter verlauten.